Zum Tode von Walter Dürig, 27.1.1927 – 21.7.2019

Um über das Leben, das Schaffen und Wirken von Walter Dürig müsste man ein Buch schreiben, so abwechslungsreich, vielfältig und spannend waren die 92.5 Jahre. Wer im historischen Lexikon der Schweiz aufgeführt ist, hat Wesentliches für dieses Land geleistet. Walter in einem Nachruf gerecht zu werden ist folgerichtig umfassend nicht möglich, somit beschränke ich mich auf einige – auch für mich prägende – Ereignisse oder Tatsachen als Mitarbeiter des Bundesamtes für Militärflugplätze [BAMF], als Offizier der Flugplatz Brigade 32 [Flpl Br 32], aus Begegnungen in verschiedensten Funktionen im Fliegermuseum oder Air Force Centers Dübendorf sowie als Nutzer seiner Website.

Ein faszinierender Lebenslauf

Geboren am 27.1.1927 in Jegenstorf, als Sohn eines Elektroinstallateurs und der Tochter eines Wirts und Landwirts. 1945-48 Technikum in Burgdorf, als Fernmeldeingenieur [Dipl. El. Ing HTL]. 1948-50 Mitarbeiter beim Telefonzentralenbau der Standard Telephon & Radio AG in Basel. 1949 Flieger Übermittlungsrekrutenschule, anschliessend UOS und 1950 OS. 1956-1965 Kommandant [Kdt] Flieger Funker Kompanie 7, Mobile Fl Fk Kp 6, Kdt Flieger Radar Abt 1, 1974-76 Kdt Flugplatz Regiment 1, 1969-73 Stabschef Flugplatz Brigade 32.

1951-65 Instruktionsoffizier der Fliegertruppen mit Spezialgebiet Radartechnik, Projektgruppe Evaluation und Beschaffung des Radarsystems FLORIDA. 1966-73 Sektionschef im Bundesamt für Militärflugplätze zur Einführung des Luftverteidigungssystems FLORIDA. 1974-79 Adjunkt in der Gruppe für Generalstabsdienste, Projektleiter in der Untergruppe Planung, um die Einführung der elektronischen Datenverarbeitung EDV bei den Armeekorps und Divisionen der Armee zu planen. 1972 hat die Kommission für militärische Landesverteidigung KML das Vorläuferprojekt für ein schweizerisches integriertes Führungssystem SIF abgelehnt!?

1979-83 Direktor BAMF, 1977-83 im Nebenamt Brigadier und Kdt Flpl Br 32. 1984-86 Divisionär und Chef Führung und Einsatz [CFE] im Kommando der Flieger- und Flab Truppen [FF Trp], 1987-89 Korpskommandant [KKdt] und Kdt der FF Trp.

Führung, Ausbildung, Methodik, Didaktik

Walter Dürig hat alle Offiziersgrade – vom Leutnant zum Korpskommandant – durchlaufen, 9 Gradstufen in 38 Jahren, das ist ein ausserordentliches Tempo im Funktionenwechsel. Trotzdem hat er in der Wahrnehmung aller seiner Aufgaben nachhaltig gewirkt, entsprechend den Schwarzkopf’schen Führungsregeln: „wenn du Führungskompetenz erhältst, nimm sie sofort wahr“, oder „verändere nur, was nicht funktioniert“. Unter seiner Führung wurden die Geschäftsgrundsätze und Geschäftsordnung des BAMF erarbeitet, moderne Hilfsmittel, kooperativ erarbeitet und der Zeit voraus, in Seminaren auf den verschiedenen Kaderstufen eingeführt, umgesetzt und kontrolliert. In diesen Seminaren überraschte uns Walter immer wieder mit den modernsten methodisch-didaktischen Hilfsmitteln, zB einer schwarzen „Negativ“ Proki Folie, beschrieben mit einem speziellem Filzschreiber, dessen Zug langsam weiss, rot, blau oder grün wird. Oder der Auftrag an zwei Gst Of Anwärter, eine Tonbildschau PA CAPONA über das Feindbild auf Flugplätzen zu erstellen. Oder mit Einführung der EDV in verschiedensten Bereichen.

Walter Dürig durchlief die Funktionen vom Rgt Kdt zum Kdt FF Trp in einer schwierigen Zeit. Die Führungsriege der FF Trp in Bern war zerstritten, die “Flieger“ waren sich in Rüstungsfragen uneinig, es herrschte ein Grabenkrieg mit den „Flabisten“, stigmatisiert im Begriff „flabtauglich“. Der Nullentscheid Corsair-Milan und der Mirage Skandal bewirkten einen Neubeginn mit neuen Leuten. KKdt Eugen Studer, ein „Gelber“ von den Leichten Truppen wurde mit dem Kommando betraut, die FF Trp erhielten 1968 eine neue Führungsstruktur, die Verwaltung wurde vom Miltär getrennt, die Truppe waffenspezifisch Flieger – Fliegerboden – Flab – Flieger Übermittlung brigadisiert. Für Walter gelebte Erfahrungen, die ihn wohl sehr prägten. Für ihn wurde klar, dass erfolgreiche Organisationen auf Führungs-und Fachleuten basieren, die ihre Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung kennen und wahrnehmen. Kaderplanung, systematische Führungs- und Fachausbildung sowie zeit- und stufengerechte Informationen wurden in all seinen wechselnden Funktionen immer wieder hinterfragt und verbessert. Verschiedene Reorganisationsprojekte sind von Walter Dürig angegangen worden, immer im Bestreben die Leistungen wirtschaftlicher und effektiver zu erfüllen. Wir erinnern uns an RESTRUFF oder die in dieser Zeit eingeführten interdisziplinären Übungen zwischen der Profi- und Milizorganisation (STRADA, OPTIMA, CAMPO, BAMBI, TOT, SUBITO-SION, TUTTI, NOLA-NOSTA-STRADA usf. oder 1972 die Kaisermanöver). Nicht alle Projekte oder Anstrengungen waren erfolgreich. Der Wahlspruch der Flpl Br 32 “PA CAPONA” – ne pas caponner, dem Schicksal ins Auge schauen oder nicht nachlassen gewinnt – bekam eine besondere Bedeutung. Walter war dabei der Chef mit Blick auf das Gesamte, die wirtschaftliche Aufgabenerfüllung und immer in Kontakt mit der Politik, der Wirtschaft, der Bevölkerung und der Truppe. Aus Misserfolgen wurde gelernt und Führungsseminare wie auch taktische Kurse hatten den Nebeneffekt, dass man sich gegenseitig besser kennenlernt, die Aufgaben und Probleme des Anderen in sein Denken einbezieht und damit die Interdependenz der Operationen, der Logistik und der Ausbildung der FF Trp erkennt.

Fliegermuseum – JU Air – Air Force Center

Wie Hans Giger hat auch Walter Dürig, als dessen Nachfolger als Direktor BAMF, die Entwicklung dieser Institutionen wesentlich mitgestaltet und mitgeprägt. Während Hans als Vater des Fliegermuseums gilt, darf Walter als Vater der JU Air bezeichnet werden. 1981 entschlossen sich die Fliegertruppen, aus Kostengründen ihre drei JU-52 auszumustern, welche über 40 Jahre bei der Schweizer Luftwaffe im Einsatz standen. Walter Dürig, damals Direktors des Bundesamtes für Militärflugplätze, rief eine kleine Gruppe unter der Leitung von Christian Gerber ins Leben. Diesem stellte er einen kurz davor im BAMF angestellten Ingenieur und Swissair Piloten, Kurt Waldmeier als operationellen Verantwortlichen zur Seite. Dieses Kern-Team machte sich dafür stark, dass mindestens eine der JU-52 in den zivilen Rundflugbetrieb übergeführt werden und noch für maximal fünf Jahre dem Schweizervolk als Nostalgieflieger erhalten bleiben sollte. Eine ausserordentliche Generalversammlung des Verein der Freunde des Museums der schweizerischen Fliegertruppen [VFMF] beschloss die Übernahme der Trägerschaft für den JU-52 Flugbetrieb. “Flieg weiter Ju-52” war 1982 das Motto einer grossangelegten Sammelaktion, gleichzeitig die Geburtsstunde der heutigen JU-AIR. Spenden in der Höhe von 600’000.- Fr. und über 100 Freiwillige aus der ganzen Schweiz ermöglichten die Überführung der Flugzeuge vom militärischen in den zivilen Flugbetrieb. Die anfängliche „Bieridee“, wie sie Walter selber nannte, entwickelte sich zum erfolgreichen Unternehmen. Dieses bildete die finanzielle Basis für die Weiterentwicklung des Fliegermuseums. 1988, Walter Dürig war unterdessen Kommandant der FF Trp konnte die Museums Halle 1, eine Isler Betonschalenhalle feierlich eröffnet werden. Stiftungspräsident alt BR Dr. Rudolf Friedrich übergab mir als Präsident VFMF im Beisein vom Chef EMD, BR Dr. Arnold Koller den Schlüssel und den Auftrag, das historische Erbe weiter zu pflegen und einer grossen Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Publikationen und Öffentlichkeitsarbeit

Wirksame Öffentlichkeitsarbeit war immer ein Anliegen von Walter, insbesondere auch als Kdt der FF Trp. Die Truppenzeitung „INFO 32“, die FF Trp Zeitung VISTA, die Zeitschrift AVISO, später BAMInfo vom BAMF tragen alle seine Handschrift, er hat sie initiiert. Er ermöglichte an Tagen der offenen Tür Angehörigen, der Bevölkerung und den Behörden Einblicke in die Arbeit der Bodenorganisation, militärisches Neuland! Seine Arbeit mit den Medien war nicht immer beschwerdefrei, galt es unbequeme Fragen zu beantworten oder Angriffe auf seine Person diplomatisch zu entgegnen. Bis zum Schluss war er publizistisch tätig und betrieb eine umfassende Website mit einem grossen Archiv an Beiträgen über die Geschichte der Luftwaffe. Die Geschichte des BAMF wird auf einer anderen Website dargestellt. Daneben hat er die Dokumente zur Geschichte der FF Trp, zum Flugplatz Dübendorf, zu den Führungssystemen, zum Air Force Center, zu den Themen Strategie und Tourismus systematisch gegliedert und übersichtlich für jedermann zugänglich gemacht: www.wrd.ch. In dieser Sammlung findet sich auch eine Hommage an den Einstrich Künstler Gian Gross. Wohl nicht von ungefähr, komplexe Vorgänge mit einem Strich darzustellen oder einfach zu erklären, war eine grosse Fähigkeit von Walter. Bis kurz vor seinem Tod hat er an dieser Dokumentation gearbeitet, mit Datum vom 13. Juni 2019 „Meilensteine der militärischen Radar Geschichte“.

Radar – FLORIDA: Im Dokument vom 16.1.2017 „Zur Geschichte der Radarüberwachung in der Schweiz“ schildert Walter die ganze Entwicklung und die Schwierigkeiten beim schffen der personellen, materiellen und infrastrukturellen Grundlagen vom Flieger Beobachtungs- und Meldedienst [Fl BMD] im 2.Weltkrieg über den SFR Radar bis zum funktionierendem FLORIDA System 1972. Ein lesenswertes Werk, das aufzeigt, dass dank guter Zusammenarbeit aller Beteiligten, dank Mut und Improvisationswillen in der Anfangszeit der Elektronik, immer Lösungen gefunden wurden. Später wurde FLORIDA durch weitere technische Systeme ergänzt und zum umfassenden sowie funktionierendem Führungs-und Informationssystem der Luftwaffe weiter entwickelt. Ein Erfolgsfaktor war sicher die Besichtigung der Einsatzzentrale des US Air Defence Command in Colorado Springs 1958. Kontakte, welche bei späteren Rüstungsgeschäften mit Amerika von Bedeutung wurden. Wie zum Beispiel die Integration des amerikanischen Radars Taran in das französische Flugzeug Dassault Mirage III, bei der Evaluation des Mc Donell Douglas F/A-18 Hornet oder der stetigen Anpassung des Systems FLORIDA.

Wegbereiter der Luftwaffe: Div Hans Bandi (erschienen 2014): Der ausgeprägte Gerechtigkeitssinn von Walter Dürig bewog ihn, zum 100 Jährigen Jubiläum der schweizerischen Fliegertruppe ein Buch zum umstrittenen Wegbereiter der Luftwaffe im 2. Weltkrieg zu verfassen. Ende 1936 schuf der schweizerische Bundesrat die Flieger- und Fliegerabwehrtruppen und die Abteilung für Flugwesen und Fliegerabwehr. Hans Bandi wurde zum ersten Kommandanten und Waffenchef dieser neuen Truppe ernannt. Im vorliegenden Buch wird die Geschichte dieser Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Die heutige Sicht auf die Hintergründe der damaligen Vorgänge macht deutlich, wie schwierig, kräftezehrend und konfliktreich die Aufbauarbeit war. In der Rückschau wird sichtbar, wie fundierte Bedrohungsanalysen und fachtechnische Argumente durch Intrigen und intransparente Entscheidungswege beeinträchtigt wurden. Als siebter Nachfolger von Div Bandi hat Walter mit den eigenen Erfahrungen als Kdt FF Trp versucht, die damalige Geschichte zu beschreiben, zu beurteilen und neutral zu bewerten.

Schlusswort

Wir sind uns bewusst: alles ist vergänglich, immer wieder wird uns ein Teil von uns verlassen. 2017 war es Hans Giger, 2018 die HB-HOT, 2019 Walter Dürig. Wir sind traurig, aber auch zuversichtlich, das Leben und die die Faszination um die Fliegerei und deren Geschichte wird weitergehen. Die prägenden Persönlichkeiten haben dafür gesorgt, dass es weitergeht, dafür danken wir ihnen.

Danke Walter, wir werden dich vermissen, du hast uns aber mit einer umfassenden Dokumentation ein reiches Erbe hinterlassen.

Manfred Hildebrand, Wallisellen, 27.7.2019