-28.06.2023-

“CAMBIO!”

Bei dem Begriff “CAMBIO” handelt es sich um den Befehl für die Durchführung eines Stellungswechsels durch die befohlene Feuereinheit (FE). In diesem Fall handelt es sich um “meine” FE 6 der M Flab Bttr 45/2. Aus taktischer Sicht wird ein Stellungswechsel dann erforderlich, wenn davon ausgegangen werden muss, dass der Gegner die eigene bisherige Stellung aufgeklärt hat. Dies ist im Falle einer aktiven Aufklärung am Boden oder aus der Luft der Fall oder wenn ein Angriff auf das zu schützende Objekt durchgeführt wurde. Es gehört zum taktischen Standardverhalten der M Flab, dass jede FE neben einer Haupt- auch mindestens eine oder manchmal auch zwei zusätzliche “Wechselstellungen” erkunden muss. Die Wechselstellungen haben den gleichen Auftrag wie die Hauptstellung, den Schutz des Objekts gegen Angriffe aus der Luft zu gewährleisten. In der Regel sind die Wechselstellungen etwa zwei Kilometer von der Hauptstellung entfernt. Für mich als Feuereinheitskommandant bedeutet dieser Befehl “CAMBIO” das raschmögliche Verlassen der bisherigen Stellung und gleichzeitig das Beziehen der neuen Stellung.

Wie läuft diese Aktion genau ab?

Im Gegensatz zum Stellungsbezug der Hauptstellung erfolgt der Bezug einer Wechselstellung nicht über einen Bereitstellungsraum (Bstlrm), sondern er wird direkt in den neuen Stellungsraum verschoben. Der Wechselstellungsbezug erfolgt ebenfalls gestaffelt. Zur Erinnerung: Die Staffelung ist aus taktischer Sicht wichtig, dass zum einen die Anzahl Soldaten und Motorfahrzeuge in der Stellung auf ein Minimum reduziert wird, und zum zweiten,  dass durch ein immer feuerbereites Geschütz Flab-Schutz gewährleistet ist.

Nachdem der Befehl “CAMBIO” von der Abteilung durch Funk bei meinem Gefechtsstand eingetroffen ist, veranlasse ich sofort einen Feuereinheitsrapport, so dass ich den Wechselstellungsbezug an meine direkt unterstellten Unteroffiziere befehlen kann. Dabei handelt es sich um eine kurze Angelegenheit, denn den jeweiligen Gruppenchefs ist grundsätzlich klar, was bei einem Wechselstellungsbezug zu tun ist. Einzig, Abweichungen und die relevanten zeitlichen Aspekte wie der auf heute Nachmittag 14:00 Uhr angesetzte Feuerbereitschaftsgrad (FBG) 2, sind mündlich klar zu definieren. Kurz nach der Befehlsausgabe weckt der diensthabende Chef des Rückwärtigen die ruhende Ablösung meiner FE. Es gilt nun so rasch wie möglich mit dem Stellungsabbruch der Hauptstellung zu beginnen. Die ruhende Ablösung muss jedoch zuerst noch verpflegt und orientiert werden. Die aktive Ablösung verbleibt in der Stellung und beginnt gemäss der angeordneten Reihenfolge das Feuerleitgerät (Flt Gt 79/90) um die beiden 35 mm Flab Kan 63/90 für den Abtransport in die Wechselstellung vorzubereiten. Als erstes wird ein Geschütz enttarnt, entladen und transportbereit gemacht. Dieses Geschütz wird die Hauptstellung als erstes in Richtung des neuen Stellungsraums verlassen. Bevor jedoch dieses Geschütz sich auf den Weg macht, schicke ich meinen Stellvertreter mit einem Fahrer und einem Soldaten aus dem Rückwertigen in den neuen Stellungsraum, um möglichst früh Augen und Ohren vor Ort zu haben. Ebenso gehört zu seinen Aufgaben das Orientieren der Landbesitzer über das baldige Eintreffen meiner FE. Die Verbindung zwischen diesem Voraustrupp und meinem Gefechtstand erfolgt über das Kleinfunkgerät SE-125.

Sobald das erste Geschütz die Hauptstellung verlassen hat, erfolgt der Stellungsabbruch des Feuerleitgeräts. Das zweite Geschütz verbleibt feuerbereit in der Stellung und wird zusammen mit der Nachhut des Gefechtsstandes und Rückwertigen als letzte die Stellung wechseln. Noch bevor das Flt Gt die Stellung verlässt, sind die beiden Fahrzeuge für den Gefechtsstand und das Rückwärtige auf dem Weg an den neuen Standort, um dort möglichst rasch die Führungsbereitschaft zu erstellen. Ebenso gilt es durch die Mannschaft des Rückwertigen zusammen mit dem Logistikzug der Batterie die Verpflegungs- und Materialnachschubtransporte in die Wechselstellung zu koordinieren.

Der Befehl “CAMBIO” traf um 03:03 beim Gefechtsstand ein. Die neue FBG 2-Zeit für die Wechselstellung ist um 14:00 Uhr angesetzt. Es verbleiben daher knapp 11 Stunden für die Durchführung des Stellungswechsels. Unter günstigen Bedingungen erfolgt ein Stellungsabbruch in 3 – 4 Stunden. Dasselbe gilt für den Stellungsbezug am neuen Ort. Nun ist es aber so, dass die ganze Aktion meiner FE bereits um 04:00 Uhr beginnt, dann ist es immer noch dunkel. Der Sonnenaufgang ist gemäss der aktuellen Jahreszeit um 07:30 Uhr zu erwarten. Ein Stellungsbezug unter nächtlichen Bedingungen ist besonders anspruchsvoll. Zum einen muss der erhöhten Anforderung der Sicherheit für Mensch und Material Sorge getragen werden, zum anderen ist das Einrichten der Feuereinheit erschwert, da die Fixpunkte für die Einrichtkontrolle nicht sichtbar sind. Das Flt Gt 75/90, sowie die beiden Geschütze sind nicht mit einem Nachtsichtgerät ausgerüstet. Es muss daher improvisiert werden. Mein Stellvertreter, welcher den Stellungsbezug in der Wechselstellung führt, wird so rasch wie möglich ein leichtes Fahrzeug (z.B. ein Puch) an einen Geländepunkt gemäss Kartenentschluss befehlen. Dort wird der Puch mit eingeschalteten Scheinwerfern als “Not-Fixpunkt” dienen. Sobald genügend Tageslicht vorhanden ist, wird dann eine ordentliche Einrichtkontrolle auf mindestens zwei Fixpunkte nachgeholt.

Man kann sich nun gut vorstellen, dass eine Aktion “CAMBIO” eine komplexe Aktion für eine Feuereinheit der M Flab darstellt. Hier ist nun straffe Führung auf allen Stufen angesagt. Es gilt mit der ganzen FE 6 auf die befohlene Zeit in der Wechselstellung den FBG 2 zu erreichen, aber es gilt auch die ganze Aktion ohne Unfälle und Materialverluste über die Bühne zu bringen. Kurz um, es ist Stress pur. Aber genau darum wird diese Aktion im Rahmen einer Felddienstleistung geübt, so dass die Abläufe im Ernstfall beherrscht werden.

Das einzige Missgeschick, welches meiner FE unterlief, war, dass die Datenleitung zwischen dem Feuerleitgerät und dem alten Gefechtsstand vergessen wurde abzubauen. Zum Glück gibt es beim Zubehör genügend Reservekabeltrommeln. Trotzdem muss ich konsterniert feststellen, dass in diesem Fall die notwendige Materialkontrolle vor dem Verlassen der alten Stellung nicht ordnungsgemäss durchgeführt worden ist. Zu meinen Aufgaben als Kommandant einer M Flab FE gehört es auch, ein persönliches Journal während der ganzen Übung zu führen. Basierend auf diesem Journal wird im Nachgang der Felddienstübung ein Aktionsnachbearbeitungsprozess – “Lehren aus dem Krieg” – durchgeführt.

Es gelingt der FE 6 die befohlene FBG 2 Zeit mit einer kleinen Reserve zu erreichen. Während der ganzen Aktion des Wechselstellungsbezuges wurde meine FE und ich von Stabsoffizieren des Abteilungsstabes beobachtet. Wo nötig, wurde ich auch von diesen Stabsoffizieren unterstützt – gecoacht. Während so einer Felddienstübung geht es nicht darum, nur “Fehler” zu protokolieren, sondern auch darum, auf allen Stufen dazu zu lernen. Die meisten Stabsoffiziere des Abteilungsstabes waren ja auch einmal, je nach Funktion in einer M Flab FE tätig und haben daher mehr Erfahrung als ich und meine Gruppenchefs.

Nun kommen wir zum Highlight dieses Tages oder vielleicht der ganzen Felddienstübung. Eine halbe Stunde nach FBG 2 “donnert” ein Mirage III RS Aufklärer im Tiefflug über die Wechselstellung der FE 6. Wie üblich fliegt der Mirage-Aufklärer aus einer unerwarteten Richtung heran, um uns zu überraschen. In unserem Fall flog er über einen Wald heran und das Flt Gt hatte keine Zeit den eleganten Flieger rechtzeitig zu erfassen. Obwohl uns der Mirage III RS ziemlich durchgeschüttelt hat, haben wir einen gewissen Stolz in der Brust, dass die Übungsleitung gerade unsere FE für den Überflug des Mirage-Aufklärers ausgewählt hat. In der Übungsschlussbesprechung dürfen wir uns dann auf die gemachten Aufklärungsbilder unserer Stellung freuen.

Am späteren Nachmittag beginnt es zu regnen. Neben der Anordnung C-Vollschutz anzulegen, ist Regen soweit das Unangenehmste für einen M Fläbler im Felde. Aber wir sind ja “allwettertauglich” und haben trotz des Regens unseren Auftrag weiter zu erfüllen. Nun sind bereits zweieinhalb Tag der diesjährigen Felddienstübung vorbei. Ich rechne damit, dass in den nächsten 12 -18 Stunden mit der “Entbindung vom Auftrag” zu rechnen ist. Wie diese Phase abläuft, erfahren Sie in der nächsten Episode aus dem Leben eines M Flab Feuereinheitskommandanten.

Text: Beat Benz   Foto: Beat Benz


Wir freuen uns, wenn Sie Ihre Meinung oder Ihren Kommentar zum Artikel unter folgender E-Mail-Adresse teilen:

redaktion@gazette-online.ch

Ihr Gazette-online Team