Eurosam SAMP/T

– 24.01.2021 –

Die Regierungsstellen der in Frage kommenden Kandidaten für ein bodengestütztes Luftverteidigungssystem grösserer Reichweite (BODLUV GR) haben am 18. November 2020 ihre zweite Offerte an armasuisse übergeben. Damit beginnen für armasuisse die Arbeiten an den Evaluationsberichten, die im 1. Quartal 2021 abgeschlossen werden sollen.[1]

Die Offerten enthalten unter anderem folgende Elemente:

  • Preis für die Systeme der bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite zur Abdeckung von mindestens 15’000 km2 inklusive definierter Logistik und Bewaffnung als verbindlicher Ausgangspunkt für die Detailverhandlungen mit dem gewählten Kandidaten nach dem Typenentscheid;
  • Angebote zur Kooperation zwischen den Streitkräften und den Beschaffungsbehörden der Schweiz und jenen des Lieferlandes;
  • angestrebte oder bereits angebahnte Offset-Projekte. [1]

Folgende Regierungen und Hersteller sind für die Evaluation eines neuen Systems für die bodengestützte Luftverteidigung einbezogen worden: Frankreich (Eurosam mit dem System SAMP/T), und die Vereinigten Staaten von Amerika (Raytheon Technologies mit dem System Patriot).

Eurosam SAMP/T

Beim Hersteller Eurosam handelt es sich um eine Unternehmenskooperation zwischen MBDA Missile Systems und Thales. Es ist in Frankreich und Italien ansässig. SAMP/T ist die französische Abkürzung für sol-air moyenne portée / terrestre; sinngemäss auf Deutsch übersetzt für landgestütztes System Boden-Luft mittlerer Reichweite.

Eine taktische Einheit SAMP/T besteht aus einer Feuerleitzentrale, einem Multifunktionsradar, einer Energieversorgung für den Multifunktionsradar, bis zu sechs Lenkwaffenwerfern mit je acht abschussbereiten Aster 30 Lenkwaffen und eine entsprechende Anzahl von Lenkwaffennachlader.

Durch den Multifunktionsradar werden Luftziele aufgeklärt, verfolgt, klassifiziert, mittels Freund-Feindabfrage identifiziert. Die Phased-Array-Antenne des Radars dreht sich innerhalb einer Sekunde einmal um 360°. Die dadurch gewonnen Zieldaten werden in der Feuerleitzentrale durch die beiden Bediener unterstützt, durch eine Feuerleitsoftware verarbeitet und gemäss einer Bedrohungsanalyse den jeweiligen durch Datenfunk angebundenen Lenkwaffenwerfern zur Bekämpfung durch die Aster 30 Lenkwaffen zugewiesen. Die Verbindung zwischen Feuerleitzentrale und den Lenkwaffenwerfern kann auch über ein Kabel erfolgen.

Die Lenkwaffenwerfer werden gemäss taktischem Auftrag im zu schützenden Raum oder um das zu schützende Objekt positioniert. Durch den vertikalen Abschuss der Aster 30 Lenkwaffen ist das System in der Lage Ziele aus allen Richtungen (360°) zu bekämpfen. Es können mehrere Ziele gleichzeitig bekämpft werden. Durch eine Funkdatenverbindung zwischen dem Multifunktionsradar und den in der Luft befindlichen Lenkwaffen werden durch die Feuerleitzentrale generierte Zieldaten fortwährend übermittelt. Kurz vor dem Erreichen des gegnerischen Zieles schaltet der in der Spitze der Lenkwaffe eingebaute Radarsuchkopf das Ziel auf. Die Lenkwaffe steuert das Ziel in der Endphase also selbstständig an.

Die Aster 30 Lenkwaffe besitzt einen sogenannten Booster, welcher nach dem Lenkwaffenstart, nachdem er ausgebrannt ist, abgeworfen wird. Dank diesem Booster ist die Lenkwaffe in der Lage, Flugzeuge, Helikopter, Marschflugkörper und bodengestützte ballistische Kurzstreckenlenkwaffen auf eine Distanz von über 70 km zu bekämpfen. Ein einzigartiges System bestehend aus mehreren kleinen Schubdüsen am Leitwerk der Lenkwaffe ermöglicht eine sehr hohe Manövrierbarkeit im Endanflug. Dadurch wird die Treffer- und Zerstörwahrscheinlichkeit deutlich erhöht.

SAMP/T ist zurzeit in drei Ländern, darunter zwei in Europa, eingeführt. Das Aster 30 Lenkwaffensystem ist ebenfalls in sieben Marinestreitkräften im Einsatz. In Folge des noch andauernden Bürgerkrieges in Syrien wurden im Rahmen einer NATO-Operation einige SAMP/T-Einheiten in die südliche Türkei verlegt, um allfällige Bedrohungen aus der Luft abzuwehren.

Raytheon Technologies Patriot

Die Raytheon Technologies Corporation ist ein amerikanisches multinationales Konglomerat mit Hauptsitz in Waltham, Massachusetts. Das Unternehmen ist nach Umsatz und Marktkapitalisierung einer der grössten Luft- und Raumfahrt-Verteidigungshersteller der Welt.

Der zentrale Teil der Patriot Feuereinheit ist der Feuerleitstand. Von hier aus führen die beiden Bediener den Feuerkampf, wobei sie Anweisungen von der zentralen Einsatzleitung auf vorgesetzter Stufe erhalten können. Die AN/MPQ-65 Radaranlage dient der Erfassung und Verfolgung von Zielen. Die Lenkwaffenwerfer können bis zu vier Lenkwaffen GEM/T aufnehmen. Es können bis zu sechzehn Werfer in einer Feuereinheit zum Einsatz gebracht werden. Das System ist in der Lage mehrere Ziele gleichzeitig zu bekämpfen. Ergänzt wird die Patriot-Feuereinheit durch eine externe Stromversorgung für das Radar und ein Kommunikationsrelais.

Das Patriot-Radar AN/MPQ-65 basiert auf einer starren Phased-Array-Antenne. Dies bedeutet, dass das Radar um einiges präziser ist, als sich ständig drehende Radarantennen. Das Patriot-Radar kann auf mehrere Ziellinien vorkalibriert werden und dann innerhalb von Sekunden um volle 360 Grad auf eine dieser Ziellinien geschwenkt werden, um Bedrohungen aus allen Richtungen zu bekämpfen.

Die Patriot-Lenkwaffen GEM-T sind sehr schnelle bodengestützte Lenkwaffen im Arsenal der US Army. Mit dieser Lenkwaffe können neben Flugzeugen, Helikoptern und Marschflugkörpern auch bodengestützte ballistische Boden-Boden-Raketen abgefangen und zerstört werden. Die GEM-T-Lenkwaffen werden nach dem Abschuss fortdauernd durch eine Funkdatenverbindung mit aktuellen Zieldaten versehen. Das Radar verfolgt das bedrohliche Ziel gleichzeitig wie die eigene Lenkwaffe. Die Lenkwaffe verfolgt das Ziel eigenständig, falls die Verbindung unterbrochen wird. Die Bekämpfungsreichweite der GEM-T-Lenkwaffen liegt bei über 70 km.

Das Patriot-System ist bereits in 17 Nationen, davon sieben europäischen, im Einsatz. Durch die grosse Nutzerbasis kann Raytheon Technologies ständige Lebenserhaltungs- und Kampfwertsteigerungspakete bereitstellen.

Patriot ist einsatzerprobt. Heute steht Patriot bei mehreren Nutzerstaaten im erfolgreichen Abwehrkampf. Die zugewiesenen Räume und Objekte konnten dabei in jedem Fall erfolgreich verteidigt werden. Es wurden neben bewaffneten Drohnen auch bodengestützte ballistische Lenkwaffen abgewehrt.

Weiteres Vorgehen im Programm Air2030

Mit den Informationen aus der zweiten Offerte und den Erkenntnissen aus den verschiedenen Erprobungsaktivitäten wird der Gesamtnutzen jedes Systems ermittelt. Die Resultate fliessen zusammen mit einer umfassenden Risikoanalyse in eigenständige Evaluationsberichte, in welchen der jeweilige Gesamtnutzen des neuen Systems der bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite den Beschaffungs- und Betriebskosten für 30 Jahre gegenübergestellt wird. Die Evaluationsberichte sollen im 1.Quartal 2021 abgeschlossen werden. Der Typenentscheid durch den Bundesrat ist für das 2. Quartal 2021 vorgesehen. [1]

Beat Benz, red.th

Quellenangaben:

[1] Medienmitteilung des VBS vom 18.11.2020 https://www.vbs.admin.ch/content/vbs-internet/de/die-schweizer-armee/sicherheit-im-luftraum.detail.nsb.html/81207.html

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