– 20.09.2019 –
Flugplatz Ramenskoje, nahe Moskau 01.09.2019
Ein wolkenloser Himmel über der russischen Metropole, die goldenen Zwiebeltürme glänzen und es ist früher Morgen, als uns der vom Vortagestrip nach Monino bewährte Fahrer Alexandr über die verstopfte Autobahn und schliesslich verschiedene Schleichwege durch Dörfer, Wiesen und Wälder zum Ort des Geschehens, 50km südöstlich von Moskau gelegen, bringt. Die MAKS ist eine internationale Luft- und Raumfahrtmesse mit Airshows, die seit 1993 alle zwei Jahre im Wechsel mit der ILA Berlin und in Konkurrenz zum Salon in Le Bourget stattfindet.
Der Flugplatz Ramenskoje war früher rein militärisch und diente auch der Erprobung neuer Flugzeugtypen, wurde aber 2016 als vierter internationaler Flughafen von Moskau (Schukowski International Airport) für die Zivilluftfahrt in Betrieb genommen. Er verfügt mit 5.5km über die längste Landebahn Europas. Neben dieser Piste, in einem Maisfeld, vollzog Mitte August die Crew einer A321 der Ural Airlines eine erfolgreiche Notlandung, nachdem kurz nach dem Start Vögel in die Triebwerke geraten waren – Erinnerungen an Captain Sullenberger und den Hudson River werden wach.
Grosse Militärpräsenz fällt auf, wir passieren verschiedene Checkpoints und kommen aber zügig vorwärts, bis zu einem Parkplatz Nummer 3 auf dem Flugplatzgelände, wo wir aussteigen müssen. Von hier aus geht es mit einem Shuttle-Bus weiter. Wir fahren einen weiten Weg vorbei an Hangars und abgestellten Flugzeugen, deren Vielfalt wohl kaum zu überbieten ist. Bunt gemischt sind unzählige Verkehrsmaschinen von Airbus, Antonov, Boeing, Ilyushin, Suchoi bis hin zu Tupolevs in allen Variationen zu sehen. Aber auch sämliche aktuellen russischen Kampfjets säumen den Wegrand, als Höhepunkt zwei topaktuelle Suchoi 57, das russische Stealth-Pendant zur amerikanischen F-22 Raptor. Eine wunderschön glänzende, hellbraun/hellblau lackierte und auf Vordermann gebrachte Tu-95 Bear, der Turboprop-Bomber mit gegenläufigen Propellern, steht wie ein Rieseninsekt auf ihren hohen Beinen und schaut gefrässig in die Gegend, bereit, sich kraft ihrer Kusnezow NK-12 in den Himmel zu schrauben. Wer kriegte bei diesem Anblick nicht feuchte Augen?
Die Fahrt geht weiter, vorbei an der riesigen statischen Austellung von Flugzeugen, von Oldtimern bis hin zu ganz aktuellen Mustern. Natürlich darf auch hier (wie gestern in Monino) eine exzellent retaurierte Il-2 Sturmovik nicht fehlen. Eine Tu-155 steht da, die Experimentalvariante der Tu-154 mit Wasserstoffantrieb des Mitteltriebwerkes, ein interessantes Projekt, das aber längst wieder sistiert wurde, daneben eine zu Parabelflügen benützte Il-76, die mit Führung besichtigt werden kann.
Auffallend die in Modefarben gehaltene und von einer Lightshow erleuchtete MiG-35, sie ist auf einem Podium platziert, davor posieren Models in farblich assortierten Pilotenkombis und grossen Sonnenbrillen…na ja. Kampfjet als Entertainment.
In zahlreichen Pavillons stellen Hersteller aus Ost und West ihre Produkte vor, auch Airbus und Boeing sind vertreten.
Schliesslich kommen wir bei der Tribüne an und können unsere Plätze beziehen. Inzwischen sind unzählige Besucher auf das Gelände geströmt, darunter sehr viele Familien mit Kindern, es herrscht eine friedliche Volksfest-Stimmung.
Punkt 11 Uhr geht es los. 6 Akro-Flugzeuge starten und zeichnen die Schrift MAKS 2019 in den Himmel. Anschliessend wird das neue russische Mittelstreckenverkehrsflugzeug Irkut MC-21 vorgeführt. Nach – im Leerzustand – kurzer Startstrecke, erhebt sich die zweistrahlige Maschine steil in den Himmel, dreht enge Kurven und präsentiert sich in mehreren Vorbeiflügen. Nach dem Suchoi Superjet, der bisher mässig erfolgreich war und sich im Ausland schlecht verkaufen liess, ruhen nun die russischen Hoffnungen auf dieser gefälligen Maschine in der Grösse der A320neo.
Mit der Präzision einer Schweizer Uhr geht es Schlag auf Schlag weiter, es gibt keine Pausen.
Nach dem bereits bekannten Suchoi Superjet, ist nun das Militär an der Reihe.
Der Fortgeschrittenen-Jettrainer Jak-130 steigt in den Himmel, zeigt seine Wendigkeit und Agilität. Dank ausgefeilter Elektronik lässt sich sein Flugverhalten an den Ausbildungsstand des Schülers anpassen.
Nun wird schweres Geschütz aufgefahren. Zwei Suchoi-30SM stehen am Start und lassen ihre Triebwerke aufheulen, ein dumpfes Donnergrollen folgt und nach höchstens 150m steigen die beiden, dank der unbändigen Kraft der jeweils zwei nachbrennerbefeuerten Saturn AL-31, senkrecht in den Himmel, dabei ein ohrenbetäubendes Krachen zurücklassend. Nachdem sie kurzzeitig in einer Wolke verschwinden, setzen sie zu einem erstklassigen Akroprogramm an. Dabei zeigen sie alles, was in dieser Maschine steckt. Wie ein welkes Blatt vom Himmel fallen, flaches Trudeln, extreme Wendigkeit und natürlich das berühmte Cobra-Manöver (Von Wiktor Pugatschow erstmals 1989 mit einer Su-27 – damals noch ohne Schubvektorsteuerung – in Le Bourget geflogen). Aus dem vertikalen Stillstand langsamer Ueberschlag nach vorne und hinten, ein ausgefeiltes“Turnprogramm“, dekorativer Flares-Ausstoss inbegriffen. Piloten mögen mir verzeihen, wenn für die Beschreibung dieser Flugbewegungen nicht alle korrekten Termini Technici verwendet werden. Höchst beeindruckend ist es allemal!
Nach weiteren Vorführungen einer Viererformation von Su-30SM, die mit äusserster Präzision im engen Verband geflogen werden, folgt die Nachspeise, die brandneue Su-57 steht am Start. Diese russiche Interpretation der neusten Stealth-Technologie soll noch einen deutlich kleineren Radarquerschnitt aufweisen, als die amerikanische F-22. Auch sie hebt nach ultrakurzem Startanlauf sofort ab, steigt kerzengerade und pfeilschnell senkrecht nach oben, dabei an Beschleunigung kontinuierlich zulegend. Ihre Geräuschentwicklung hinkt der Su-30 mitnichten nach. Ihr Flugprogramm ist zwar etwas sanfter als das der oben beschriebenen Vorgänger, ihre Agilität und extreme Kurvenradien kommen aber trotzdem zum Ausdruck. Diese bisher eher geheimnisumwitterte Maschine live zu sehen, ist das absolute Highlight!
Eindrücklich auch die Präsentation des Amphibiums Beriev Be-200 mit ungewöhnlicher Triebwerksanordnung über den Flügeln, das über eine unübertroffene Kapazität der Wasseraufnahme verfügt und schon seit Jahren für viele Auslandeinsätze bei Flächenbränden in Westeuropa angefordert wird. Ein spektakulärer Abwurf von Löschflüssigkeit in den russischen Nationalfarben ist ein echter Eyecatcher! Warum diese Maschine kein Exportschlager ist, verstehe ich nicht. Durch das geniale Konzept kann sie nach der Wasserlandung in kürzester Zeit ihre Tanks füllen und sofort wieder zum nächsten Einsatz abheben. Im Westen existiert nichts Vergleichbares.
Noch so vieles wäre über das äusserst reichhaltige Programm und den hervorragend organisierten Anlass zu berichten, allein, die Geduld des Lesers soll nicht überstrapaziert werden.
Aus diesem Grund begeben wir uns nach einem weiteren ereignisreichen Tag in Russland mittels Shuttle auf den Parkplatz P3, wo bereits wieder der treue Alexandr wartet.
Auf dem Rückweg nach Moskau treffen wir übrigens – einfach so – in einem Verkehrskreisel „in the middle of nowhere“ eine Tu-144(!) an, die dort in der Mitte auf einem Sockel thront, was für ein überraschender und schöner Tagesabschluss!
Text: Theo Huber, Fotos: Christian Huber