– 01.11.2019 –

Ende des Zweiten Weltkrieges wurde von den kriegsführenden Mächten festgestellt, dass die Wirkung der 20 mm Flab-Kanonen nicht mehr genügte, um tieffliegende Flugzeuge abzuschiessen. Daraufhin wurde von der Genfer Firma Hispano Suiza auf Grund von Untersuchungen über die günstigste Kombination von Geschosswirkung (Kaliber) und Kadenz die erste 30 mm Flab-Kanone entwickelt.

Dieses erste, HS 830 genannte Geschütz, hatte eine Kadenz von 500 bis 600 Schuss pro Minute und eine Geschossanfangsgeschwindigkeit (V0) von 920 m/sek. Dieses Geschütz wurde 1944 den Vertretern der Kriegstechnischen Anstalt (KTA) auf dem Flab-Schiessplatz Zuoz im Engadin vorgeführt. Zu Beginn der 1950er Jahre entwickelte Hispano Suiza auf Grund von Besprechungen mit verschiedensten französischen Dienststellen die HS 830 zur HS 831 Flab-Kanone weiter. Dieses Geschütz besass bei einem Geschossgewicht von 420 Gramm eine Kadenz von 650 Schuss pro Minute und eine V0 von 1’000 m/sek. Diese Waffe wurde 1953 den Schweizer Dienststellen als Bewaffnung für einen Flab-Panzer vorgeschlagen, für welche Verwendung die Waffe auch in Frankreich vorgesehen war.

Mit Rücksicht auf die von der Schweizer Armee als besonders wichtig angesehenen, kurzen Geschossflugzeiten wurde daraufhin als Weiterentwicklung der Flab-Kanone HS 831, die neue Flab-Kanone HS 831 L entwickelt. Diese weist gegenüber der HS 831 bei einem auf 360 Gramm reduzierten Geschossgewicht eine V0 von 1’080 m/sek auf und ermöglichte dadurch die Erreichung wesentliche kürzerer Geschossflugzeiten.

Nachdem 1954 erkannt worden war, dass die modernen elektronischen und mit Radar kombinierten Feuerleitgeräte der Flab sich für die Feuerleitung von mittelkalibrigen Flab-Feuereinheiten eigneten und damit die volle Ausnützung von deren durch Geschossballistik und Schusskadenz gegebenen wirksamen Reichweiten ermöglichten, wurden unverzüglich die Studien zur Entwicklung eines kompletten Waffensystems mit mittelkalibrigen Flab-Waffen und elektronischer Feuerleitung aufgenommen.

Bei diesen Untersuchungen wurde die Schusskadenz nicht mehr allein nur für eine Einzelwaffe eingeführt, sondern auch als totale Schusskadenz des immer aus mehreren Waffen bestehenden kompletten Waffensystems. Gleichzeitig wurden die konstruktiven Studien über die Möglichkeit des Baus von Mehrfachwaffen durchgeführt, wobei im Hinblick auf die Beibehaltung einer mit nicht zu grossem technischem Aufwand zu realisierenden hohen Beweglichkeit, die obere Gewichtsgrenze für ein einzelnes Mehrfachgeschütz mit rund 5 Tonnen angenommen wurde.

Die verschiedenen Untersuchungen hatten gezeigt, dass das Geschützgewicht von insgesamt 5 Tonnen die Verwendung von vier zu einem Vierlingsgeschütz zusammengebauten Einzelwaffen HS 831 L ermöglichte, mit denen eine Feuerdichte von 4 x 650 = 2’600 Schuss pro Minute und pro Geschütz erreicht werden konnte.

Die Zweckmässigkeit der Wahl eines aus zwei Vierlingsgeschützen 30 mm Hispano Suiza in Verbindung mit einem vollautomatischen elektronischen Feuerleitgerät “Fledermaus” der Firma Contraves Zürich bestehenden kompletten Mittelkaliber-Feuereinheit, ergab sich aus der Tatsache, dass damit die hohen Anforderungen der damaligen Einsatzdoktrin voll erfüllt werden konnten. Besonders erwähnenswert ist der Umstand, dass die leistungsmässig gegebenen Anforderungen einer Einsatzdoktrin vom 30 mm Vierlings-Waffensystem bis zu grösseren Flughöhen besser erfüllt werden konnten, als von irgendwelchen konventionellen Waffensystemen anderer Kaliber.

Die Vierling 30 mm Fliegerabwehrkanone Hispano Suiza wurde erstmals 1957 den Schweizer Behörden vorgeführt. Sie wurde mit rund 30’000 Schuss erprobt. Die enorme Schussleistung der vier Rohre war verbunden mit solider Zuverlässigkeit und hoher Betriebssicherheit.

Feuereinheit bestehend aus zwei Vierlings 30 mm Flabkanonen und einem Feuerleitgerät Fledermaus auf dem Flabschiessplatz Zuoz

Nichtsdestotrotz unterlag das Produkt von Hispano Suiza dem Konkurrenten aus dem Hause Oerlikon Bührle. Denn als Geschütz für die 1963 neu eingeführte Mittlere Fliegerabwehr wurden 37 radarbasierte Feuereinheiten Oerlikon-Contraves Feuereinheiten beschafft. Diese Feuereinheit stellte sich aus einem Contraves “Superfledermaus” Feuerleitgerät und zwei 35 mm Zwillingsgeschützen von Oerlikon Bührle zusammen.

M Flab Feuereinheit wie 1963 eingeführt, bestehend aus zwei 35 mm Flab-Kanonen von Oerlikon Bührle und einem Feuerleitgerät “Superfledermaus” der Firma Contraves

Im Flieger-Flab-Museum in der Halle 3 (Flab-Halle) sind sowohl eine 35 mm Fliegerabwehr-Kanone 63, ein Feuerleitgerät “Superfledermaus” und dessen Nachfolger, das Feuerleitgerät 75 “Skyguard”, ausgestellt. Der Autor geht davon aus, dass heute kein Hispano Suiza Vierling 30 mm Fliegerabwehrgeschütz mehr existiert.

Text: Beat Benz