Aktuelle Ansicht des Motors in unserem Museum

– 24.01.2020 –

Allô Dufaux1907! Flieger Flab Museum (FFM):    Dufaux1907! Allô Flieger Flab Musée 

FFM : C’est un nom singulier. Wie kamst du zu dieser ungewöhnlichen Bezeichnung?

„Dufaux“ verweist auf meine berühmten Väter Henri und Armand Dufaux, die Erfinder, Konstrukteure und Aviatiker aus der Westschweiz. Die 4 Ziffern, das kann ich nur vermuten, verweisen auf das ungefähre Jahr meiner Geburt und darauf, dass meine Entwicklung ein Projekt war, dem keine grössere Produktion folgte. Dies erinnert ans Motorrad Dufaux 1905 mit dem direkt am Hinterrad montierten 7-Zylinder-Sternmotor, das aber nie in Serie ging. (216 cm3/ 34 mm Kolben/Hub, ganzes Mofa 40 kg) – ausgestellt im Verkehrshaus der Schweiz (VHS). Die Serienmotoren für die Motor-(Fahr-) Räder trugen nämlich ganz andere Bezeichnungen: M.A.G. für Motosacoche Acacias Genève. Die Flugobjekte dagegen tragen in den Publikationen nur eine Ziffer in der Reihenfolge ihrer Konstruktionen (diese wurden vielleicht auch erst später zugeteilt).

FFM: Wie kamen die Gebrüder Dufaux zur Aviatik?

Das ist eine längere Geschichte! Die ersten erfolgreichen Gleitflüge von Gustav und Otto Lilienthal in Deutschland ab 1891 und besonders die ersten Motorflüge der Gebrüder Orville und Wilbur Wright in den USA 1903, weckten das Interesse der Dufauxan der Aviatik. Aufgrund ihrer Erfahrung und dem Erfolg mit ihrem kleinen Hilfsmotor für Fahrräder, versuchten die Brüder ab 1902 ihre eigene Idee eines Modell-Helikopters zu verwirklichen. Sie entschieden, 1904 einen Flugapparat zu bauen, der senkrecht starten und dann horizontal weiterfliegen würde, angetrieben durch einen Explosionsmotor. Damit sollten zusätzliche Einrichtungen wie Katapulte oder Startbahnen überflüssig werden. Als ambitioniertes Projekt in Form eines Holzmodells sei diese Idee am 24.2.1904 mit französischem Patent 348909 geschützt worden. Danach erfolgten intensive Versuche mit Drachenflugzeugen, um Stabilisierungsverhalten und vor allem die automatische Lagestabilisierung zu erproben.


Geschichte: Schon im 15.Jh. beschäftigte sich Leonardo da Vinci mit dem senkrechten Start. Im Jahr 1877 soll sich Enrico Forlanini’s Modell mit gegenläufigen Rotoren für 20 Sekunden in der Luft gehalten haben, angetrieben von einer kleinen Dampfmaschine. L. und J. Breguet sowie Paul Cornu befassten sich ebenfalls mit Helikoptern. Letzterem gelang am 13.11.1907 der erste bemannte, freie Helikopterflug, angetrieben von einem 24-PS-Motor.


FFM: Wie gingen die Dufaux vor?

Wie die Wrights, ebenfalls Inhaber einer Motorrad-Fahrrad-Werkstatt, suchten sie im Handel erfolglos einen leichten, kleinen und zugleichstarken Motor. So blieb auch ihnen nur die Entwicklung und der Bau in der eigenen Motorradwerkstatt. Ihre Erfahrung mit leichten Motoren für Motorräder befähigte sie zur Konstruktion eines kleinen 2-Zylinder-Motors mit doppelter Wirkung. Der kleine, luftgekühlte Motor brachte 4,5 kg auf die Waage und lieferte ca3,1 PS bei 1500 U/min D-Kolben 56 mm, Hub 60 mm, ca0,3 l (10 PS/l, 1,5 kg/PS). Der Vergaser bestand aus einer Aluminium/Kupfer-Legierung.

FFM: Aber ein Motor allein kann doch nicht fliegen, der braucht doch noch Flügel.

Flügel nicht, aber ein Gestell und Luftschrauben. 17,5 kg wog das ganze Helikoptermodell „Dufaux 1“ mit Motor und je zwei gegenläufigen Luftschrauben mit 2 m Durchmesser (sie drehten mit 250-1). Durch ein Kabel, unten und oben über Rollen geführt, wurde das Vehikel seitlich an Ort gehalten und konnte mit einer Last von 6.5 kg im Gleichgewicht schweben. Die ersten Versuche erfolgten im Februar 1905, 4 öffentliche Vorführungen fanden vom 12.-14. April beimBâtimentElectoral in Genf-Plainpalais statt. Anschliessend wurde der Apparat am 1. Automobilsalon in Genf ausgestellt und

1905 in Paris in der Ballonhalle des ParcAérostatique, St.-Cloud, vor dem Aero-Club de France und internationalem Fachpublikum demonstriert. Dabei waren unter anderemdie Herren Ader, Farman, Voisin et Cpte. Ferber. Santos-Dumont soll daraufhin vom Ballonfahrer zum Flugzeugführer konvertiert haben.Louis Blériot versuchte sofort einen solchen Motor zu erwerben und forderte die Dufaux mit einem verlockenden „Banccheque“ auf sogleich einen grösseren Motor für Flugzeuge zu bauen. Die erst 25- und 22-jährigen Brüder Dufaux hatten dank diesem Modellhelikopter von nun an in Frankreich zahlreiche Nacheiferer.


Anekdote: Beim ersten Senkrechtstart in der leeren, jedoch nicht sehr sauberen, 25-30 m hohen Ballonhalle erzeugten die Rotoren eine enorme Staubwolke, welche sich später gleichmässig auf alle verblüfften Anwesenden niedersetzte.


FFM: Wie ging es weiter?

Bei Corsier erprobten die Brüder im Oktober 1905 ein schwereres Modell von 23 kg, um den V/STOL-Flug zu üben. Es besass die Form eines Papierdrachens, auch „cerfvolant“ oder Type Hargrave benannt und war mit Tiltrotoren, auch als Kipppropeller oder„convertible“ bezeichnet, ausgerüstet. Motor und Rotoren waren zwischen zwei Tragflächen eingebaut. 1906 ging es darum, die gewonnenen Erkenntnisse in einem Gerät natürlicher Grösse umzusetzen. Dazu war aber ein stärkerer Motor notwendig. Konkret führte dies zu meiner Entwicklung. Nach dem gleichen Prinzip wie der vorher beschriebene kleine 2-Zylinder – Motor wurden einfach fünf Einheiten aneinander gereiht und über die gemeinsame Kurbelwelle die Rotoren angetrieben. Genau gesagt sind es 5×2 Zylinder in Reihe angeordnet. Die Berechnungen prognostizierten eine Leistung von 100 PS, ein Gewicht von 70 kg und eine Hebekraft von 450 kg. Ich wog dann effektiv 85 kg, lieferte 120 PS bei 1500 U/min, dies ergab für jene Zeit ein beispielloses Leistungsgewicht von nur 0,7 kg/PS. Am Pariser Autosalon 1907 fand ich sehr grosse Beachtung bei den Besuchern. Die Bewährung musste aber noch erbracht werden.

(wo, wann, welche Reparaturen / Aenderungen an mir vorgenommen wurden kann ich mir auch mit intensivem Nachdenken nicht mehr in Erinnerung rufen) 

Historische Ansicht

FFM: Und fliegen?

Die Brüder Dufaux bauten mich in einen ~9 m langen Flugapparat ein. Er bestand aus einem gitterförmigen Rumpf, zwei kastenartigen Gestellen mit je drei Tragflächen, also ein Triplan, in Tandem-Anordnung. Dazwischen lagerte ich horizontal sowie lagestabil und versorgte die Kipppropeller mit meiner Kraft. Hinten befand sich ein ebenso kastenartiges Höhensteuer. 60 m2 Tuch bespannten die gesamten Flächen. Die paarweise gegenläufigen Luftschrauben hatten einen Durchmesser von 2.8 m und waren schwenkbar angebracht für ein senkrechtes Aufsteigen/Landen, sowie den horizontalen Flug. Der ganze Flugapparat Nr. 2 wog 660 kg. Die Lagestabilisierung war eine veritable Herausforderung für meine Tüftler.

 FFM: Wann erfolgte der Erstflug?

Aus verschiedenen Gründen verzögerten sich die Flugversuche bis 1909. Auch gab es in Genf kein geeignetes Gelände für die Versuche, so wurde das Gerät auf den holprigen Artillerie-Waffenplatz Bière gebracht. Ohne Erfahrung mit Flugzeugen in Originalgrösse und ohne praktische Flugkenntnisse musste alles zuerst in der Praxis gelernt werden. Dies führte zu kleineren und grösseren Brüchen und enorm viel Reparaturarbeiten aber auch Verbesserungen. Zu guter Letzt waren der Apparat Nr. 2 und scheinbar auch ich so stark beschädigt, dass im Herbst 1909 die Dufauxdieses Projekt aufgaben und das ganze Material zurück nach Genf brachten.

FFM: Was führte zum Misserfolg?

„Nutzlastberechnung“ und effektives Gewicht lagen etwas auseinander. Stabilisierungs- und Steuerungsprobleme waren sicher noch nicht ganz gelöst.

Batterie, Treibstoffversorgung, usw. noch mangelhaft. Damals unüberwundene Schwierigkeiten des Prinzips „doppeltwirkend“:

Kühlung: Die schnell hintereinander erfolgenden Explosionen unter und schon wieder über den Kolben machte diesen und mir am ganzen Körper enorm zu schaffen. Dichtungsprobleme: Bei Zylindern, Kolben und Kolbenstangen, Heisslaufende Kolbenstangen, Seitliche Gasverteilung ungünstig

Tatsache ist die Capotage im Jahr 1909. Die zuweilen mir allein zugeschriebene Untauglichkeit wurde nie bewiesen, auch nicht dadurch, dass keine Serienproduktion stattfand. In jener Pionierzeit fanden logischerweise keine oder nur sehr rudimentäre (Unfall-) Untersuchungen statt. Somit konnten an Technik (Flugapparat, Antrieb), Mensch (Wissen, Können) und Umwelt (Gelände, Wetter) nie spezifische Verantwortlichkeiten zugeteilt werden.

FFM: Was geschah anschliessend mit dir?

Wo überall ich später abgestellt und herumstehend bewundert wurde, kann ich mich nicht mehr erinnern. Henri Dufaux scheint eine Sammlung besessen zu haben. Er soll mich später dem VHS übergeben haben. Nach den Akten des Verkehrshauses der Schweiz wurde ich von der Offiziersgesellschaft der Avia Flieger am 1.7.1959 diesem geschenkt. Andererorts heisst es ich sei eine Zeitlang im Hauptpostgebäude in Bern zu sehen gewesen, vielleicht wegen der 100- Rappen-Briefmarke zu Ehren der Dufaux, ab 27.1.1977. Seit 2015 stehe ich als Leihgabe im FliegerFlabMuseum in Dübendorf in der Motorenhalle, in der Nähe eines anderen Schweizer Pioniers, Oerlikon 50/60. Wir beide sind umgeben von ungefähr 70 weiteren, meist viel jüngeren, fremdländischen und kräftigeren Kollegen.

Quellen:

Tilgenkamp, Geschichte der Schweizerischen Luftfahrt II, Schweizer Pioniere aus Wirtschaft und Technik 46, Urech,  Archiv VHS; Archiv FFM, Pionnair-ge.com; Geschichtsforum.de, perrotduval.com, yesterdays.nl, motopedia-online.info, Wikipedia.org, Wikiwand.org; link.springer.com; dingler.culture.hu-berlin.de; asst.ch ; retro.seals.ch;HelicoptaireDufaux; Musée des Arts et Metiers

Hinweise:

Knecht Walter, Geschichte der Verbrennungsmotoren in der Schweiz, / Magnin André, Biographie H.u.A. Dufaux, / Richard van Basshuysen, Lexikon der Motorentechnik, / Siehe auch FFM-online-gazette: Aviatiker, Gebrüder Dufaux

Text: Hansjörg Kuhn

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