-21.05.2024-
Lieber Claudio, herzlich willkommen im AFC. Du gehörst zur „Nachwuchsgeneration“ der Bückerpiloten im AFC-Team. Wie kamst Du dazu und wie sieht Dein fliegerischer Hintergrund aus?
War Pilot schon immer Dein Berufswunsch, also eine Art Bubentraum, oder gab es ein Schlüsselerlebnis in Deinem Leben, das Dich auf diese Bahn gelenkt hat?
Um zunächst auf den zweiten Teil der Frage zu antworten, ja es war ganz klar ein Bubentraum, der am Anfang stand, familiär war ich in keinster Weise fliegerisch belastet. Dann kam mir als ganz früh vom Fliegervirus infizierter Junge auf irgendeine Art ein Swissair-Heft in die Hand, dessen Titel lautete: „Wie werde ich Pilot?“
Darin waren 2 Wege aufgezeichnet, nämlich über ein vorgängiges Studium oder über die eigene Swissairtechnikerschule FTS mit gutem Abschluss in die SLS, die damalige Schweizerische Luftverkehrsschule einzutreten. Voraussetzung für die Swissair-Technikerschule war eine abgeschlossene Berufslehre.
Gesagt, getan: Es folgten eine Elektro- und Flugzeugmechanikerlehre, danach der Eintritt in die FTS. Grundgedanke für diesen Weg war, das Fluggerät von der technischen
Seite her im Hinblick auf dessen bessere Handhabung möglichst gut verstehen zu können. Nach FTS-Abschluss war ich kurz im Engineering tätig, dann kam das Swissair-Grounding. Ich absolvierte daraufhin bei SWISS die Linienpilotenaubildung erfolgreich, flog danach aber für 2 Jahre zunächst bei Air Engiadina Pilatus PC 12 europaweit. Anschliessend Rückkehr zur SWISS. Seither seit 15 Jahren bei dieser Airline, zunächst auf Avro „Jumbolino“, dann Airbus A 320 mit Nebenjob Route Support Officer, und schliesslich auf Boeing Triple Seven. In nächster Zukunft Schritt zurück auf die A 320 als Captain und dann wieder weiter vorwärts.
Zum Bücker-Team bin ich gestossen, nachdem ich von 2 Mitgliedern angefragt und nach einem Probeflug als fähig beurteilt wurde, diese Maschine fliegen zu können. Ein Abschlussgespräch mit Kurt Waldmeier führte dann zur Team-Aufnahme vor einem guten Jahr. Bücker fliegen zu dürfen bedeutet für mich eine grosse Ehre, ein Traum und eine grosse Freude. Dies teile ich jeweils auch meinen Passagieren mit.
Ist die Oldtimer-Fliegerei für Dich ein spezielles Interessengebiet und bist Du ausser den Bücker auch andere Muster aus dieser Generation geflogen?
Ein spezielles Interessengebiet auf jeden Fall, da denke ich vor allem auch an die Warbirds wie Spitfires, Messerschmitts, Mustangs oder ähnliches. Kürzlich habe ich diese am Reno Air Race in den USA bewundern dürfen. Mein Wunsch wäre, meine 10`000ste Flugstunde auf einem Warbird absolvieren zu dürfen, nach den nächsten 1`000 Stunden wäre es dann soweit…
Der einzige Oldtimer den ich ausser dem Bücker geflogen bin, ist die Piper L-4 als Vertreterin dieser Generation, mit der ich die Heckrad-Einweisung absolviert habe.
Der Bücker ist in den Dreissigerjahren von der damaligen Flugwaffe (heute Luftwaffe) für die Anfängerschulung beschafft worden und gehört zur Spezies der Flugzeuge, die mit dem „Hosenboden“ geflogen werden müssen, also fliegerisches Gefühl voraussetzen. Was ist Deine Meinung bezüglich der Pilotenanforderungen?
Weist er irgendwelche „Macken“ auf?
Für mich gibt es definitiv einfachere, für die Anfängerschulung besser geeignete, harmlosere Flugzeuge. Der Bücker ist für mich das schönste Flugzeug, das ich fliegen darf, aber auch eines der anspruchsvollsten. Sicher setzt er viel Fluggefühl voraus. Heutzutage würde man ihn nie mehr zur Grundschulung einsetzen. Meine Kollegen aus dem Team haben mir gesagt: „Wenn Du mit dem Bücker fliegen gehst, dann ziehst Du ihn Dir an, Du musst eins werden mit dem Flugzeug…“. Die „Macken“ oder Besonderheiten sind seine Seitenwindempfindlichkeit bei der Landung – wie bei allen Heckrad-Flugzeugen. Ausserdem sind die Sichtverhältnisse nach vorne schlecht. Ansonsten fühlt er sich zum Fliegen traumhaft an. Als Privileg verfügen wir in Dübendorf zudem über eine wunderschöne Graspiste – einen wahren „Teppich“…
Nun gilt er ja als das Akro-Flugzeug schlechthin, was ist Deine Meinung über das Verhalten bei Kunstflugfiguren – wie sieht es mit der Motorleistung aus?
Die Flugzeuge im AFC sind ja nicht mehr mit dem ursprünglichen Original-80 PS-Hirth-Motor ausgerüstet.
Der Motor verfügt über 180 PS, hat also ausreichend Leistung, trotzdem muss dynamisch geflogen werden, das heisst mit Anlauf, sodass der Schwung aus der vorhergehenden Flugfigur mitgenommen und ausgenutzt werden kann. Oder es muss mit Anstechen Geschwindigkeit geholt werden – im Gegensatz zu den heutigen Superpower-Akromaschinen.
Dies führt zu einem feinen, runden Fliegen, einem eigentlichen „Tanzen“ in der Luft. Und all das spielt sich „draussen“ ab in unmittelbarem Kontakt mit der Natur.
Du bist Dich aus Deinem Alltag als Linienpilot den Umgang mit Passagieren – wenn auch in der Regel etwas „abgeschirmt“ durch die Cabin Crew – gewöhnt, im Bücker bist Du 1:1 mit einem Passagier zusammen. Was stellt diese Konfiguration für eine Herausforderung dar, beispielsweise bei eher ängstlichen Personen. Hast Du für solche Situationen „therapeutische Rezepte“?
Die 1:1 Betreuung von Passagieren kenne ich auch aus der Linienfliegerei, beispielsweise bei besonders ängstlichen Menschen, die uns die Cabin Crew meldet und die wir dann ins Cockpit holen. Da hilft dann das persönliche Gespräch meistens sehr gut.
Auch in meiner Kunstflugvergangenheit auf einer französischen CAP habe ich oft flugängstliche Passagiere mitgenommen. Meist hat dann schon das Fliegen einer Rolle soviel Freude ausgelöst, dass die Flugangst in Kürze verflogen war.
Ganz wichtig ist, am Anfang das Vertrauen des Passagiers zu gewinnen, indem ich ihm erkläre, dass ich mich freue, diesen Flug mit ihm erleben zu dürfen, dass es um Teamwork geht, dass ich nichts ohne sein Wissen machen werde. Schlieslich frage ich ihn, ob er bereit sei. Danach erkläre ich ihm die Flugfiguren: Wir beginnen mit einer Rolle, dann folgen ein Looping, ein Retournement – das im übrigen den Passagieren am meisten Vergnügen bereitet: „60 Grad nach oben, dann auf den Rücken drehen und sich nach unten fallen lassen…“.
Wenn ich Anzeichen von Aengstlichkeit wahrnehme, erkläre ich jeweils meine persönliche Situation, dass ich frisch Vater geworden bin, mein Leben sehr liebe und dass ich den Passagier gesund und heil zurückbringen werde. Wenn ich ausserdem sage, dass ich auch Fluglehrer und Linienpilot bin, vermittelt dies zusätzliches Vertrauen.
Wenn Du Dein Arbeitsgerät Boeing Triple Seven mit dem Bücker vergleichst – ich weiss, das ist Aepfel mit Birnen verglichen – was fällt Dir dazu spontan ein?
Welchen Stellenwert hat die Bücker-Fliegerei für Dich?
Das ist tatsächlich ein etwas extremer Vergleich. Aber beides sind Flugzeuge, es gelten grundsätzlich dieselben physikalischen Gesetze. Dann hören die Gemeinsamkeiten aber bald auf. Im Triple Seven sind die Piloten zu zweit, es bestehen also gegenseitige Korrektur- und Ergänzungsmöglichkeiten. Auch ist man von jeder Menge unterstützender Technik umgeben. Dann sind die Grössenordnungen komplett anders, man landet beispielsweise mit 250 Tonnen Hightech auf einer grossen, langen Piste.
Dies sind nur wenige Beispiele stellvertretend aufgeführt.
Der Bücker hingegen bedeutet eine „one man show“ und ist für mein Empfinden schwieriger zu fliegen als ein Triple Seven, was erstaunen mag. Der Triple Seven verzeiht einen Fehler eher als der Bücker.
Bücker-Stichworte: „Heckrad, eingeschränkte Sicht, Windempfindlichkeit, kurze Piste – aber ganz klar eines der am schönsten zu fliegenden Flugzeuge!“.
Eine Standardfrage: Gibt es in Deiner Bücker-Karriere besondere Ereignisse, Highlights, ungewöhnliche Situationen etc. die Dir besonders im Gedächtnis haften geblieben sind?
Ich erinnere mich an einen Passagier aus Osteuropa, der kein Wort Deutsch sprach, im Gegensatz zu seiner übersetzenden Frau, die ihm den Flug geschenkt hatte. Ich hatte etwas Bedenken, wie wir während des Fluges kommunizieren würden und dachte an Handzeichen. In der Luft gab er keinen Laut von sich und sass auffällig ruhig im Flugzeug, sodass ich mich ernsthaft fragte, ob es ihm überhaupt gefallen hatte. Nach der Landung sagte er völlig unerwartet, dass mit diesem Flug sein Lebenstraum erfüllt worden sei, was unglaublich emotional war und für mich etwas vom Schönsten, wenn man einem Menschen eine derartige Freude bereiten kann.
Etwas zweites war eine Diversion (Ausweichlandung) in Fehraltorf, aufgrund der besonders heftigen Gewitteraktivität dieses Jahr. An sich ein seltenes Ereignis.
Nach einstündigem Flug und bei 35 kts Wind in Dübendorf sind wir nach Fehraltorf, wo es noch ruhig war, ausgewichen und problemlos gelandet. Von der dortigen Bodencrew wurde der Bücker in Rekordzeit in einem Hangar untergebracht. Kaum war das Tor geschlossen, prasselte der Regen heftig hernieder. Nachdem das Gewitter vorbei war, starteten wir nach Dübendorf, auf diese Weise kam der Passagier zu einem zweiten Flug und für mich bedeutete dieses Erlebnis ein echtes Highlight.
Hast Du besondere Wünsche, Anregungen, Vorschläge im Zusammenhang mit dem Bücker-Flugbetrieb im AFC? Verbesserungspotential? Ratschläge an Passagiere? Was macht Dir am meisten Freude bei Deiner Freiwilligentätigkeit?
Der ganze Flugbetrieb hier ist sehr professionell, ich fühle mich bestens aufgehoben und unterstützt im Team, Verbesserungsvorschläge habe ich keine. Den Passagieren kann ich nur raten: Kommt zum Fliegen! Ihr macht Euch selber und den Piloten eine grosse Freude!
Wie steht es mit dem Unterhalt der Oldtimer, wer wartet diese und wie oft? Thema Flugsicherheit.
Die Flugzeuge werden in Hausen am Albis (Fa. Skyparts GmbH) in 50- und 100-Stunden-Intervallen gewartet und befinden sich in einem perfekten Zustand („wie aus dem Nähkästchen“…)
Lieber Claudio, ich danke Dir ganz herzlich für dieses Gespräch und wünsche Dir
«Always Happy Landings!»
Vielen Dank, dass ich für dieses Interview ausgewählt wurde, es ist eine Ehre für mich!
Interview und Text : Theo Huber
Ein herzliches Dankeschön an all unsere Sponsoren.