-22.10.2024-

Das Kampfflugzeug HUNTER war während vieler Jahre das eigentliche «workhorse» der Schweizer Luftwaffe.

Im Fliegermuseum stehen zwei HUNTER, J-4001 und J-4152. Das sind das «älteste» und das «jüngste» Flugzeug der Einsitzer-Flotte. Einer von acht Doppelsitzern (J-4204) steht in der Halle 8.

Museum:

Heute unterhalten wir uns mit dem altbewährten Kampfflugzug HUNTER. Wann hast du in unserer Luftwaffe angefangen?

HUNTER:
Am 3. April 1958 bin ich aus England kommend in Emmen gelandet. Der bekannte Testpilot Hans Häfliger hatte mich überflogen. Im Laufe der nächsten zwei Jahre wurden die restlichen 99 Flugzeuge durch unsere GRD-Testpiloten in die Schweiz verschoben.

Museum:

Also fabrikneu?

HUNTER:

Nein, die ersten 12 Flugzeuge wurden von der englischen Royal Air Force (RAF) übernommen und vor dem Überflug mit der Schweizer Tarnfarbe bemalt. Das Flugzeug J-4013 war der erste wirklich neue HUNTER und diente im Flugzeugwerk (F+W) Emmen als Testflugzeug bei der damaligen Kriegstechnischen Abteilung» (KTA).

Museum:

Wie kamst du zur Schweizer Luftwaffe?

HUNTER:

Nach Erprobungsflügen in der Schweiz und einer strengen Evaluation siegte ich über die bekannte F-86 Sabre der USA sowie die französische Dassault Mystère 4A. Nach Einsätzen ab Meiringen erhielt ich sogar das Hochgebirgsabzeichen auf das Seitensteuer aufgemalt.

Museum:

Kannst du dich für unsere Leser kurz beschreiben?

HUNTER:

Ich war anfangs der 50-er Jahre eines der modernsten Jagdflugzeuge mit einer starken Kanonen-Bewaffnung und der Fähigkeit, ungelenkte Luft-Boden-Raketen und Sprengbomben mitzuführen. Mit der späteren Verwendung als Erdkampfflugzeug wurden im Laufe der Zeit vor allem die bordeigenen Waffenanlagen ergänzt und/oder für neue Waffen angepasst.

Museum:

Wie wurdest du in unserer Luftwaffe eingesetzt?

HUNTER:

In den Anfangsjahren vor allem als wendiges Jagdflugzeug. 1963 wurde ich mit Infrarot-Lenkwaffen Sidewinder (AIM-9B / LL Lwf 63), genannt SIWA, nachgerüstet. Ich war auch fähig, die «alten» Bomben aus der Vampire- und Venom-Zeit abzuwerfen.

Museum:

Mit welchen Waffen konntest du eingesetzt werden?

HUNTER:

Die ursprüngliche Grundbewaffnung umfasste:

  • Vier Flugzeugkanonen ADEN (Flz Kan 58) mit einer Kadenz von 1’200 bis 1’400 Schuss/min. Munitionsvorrat: 4 x 135 Schuss.
  • Für Luftkampfeinätze konnte ich auch mit den SIWA-Nachfolgemustern AIM-9E und AIM-9P-3 ausgerüstet werden.
  • Maximal 28 ungelenkte Raketen 8 cm Stahlgranaten (Flz Rak St G) sowie 8 cm Flugzeugraketen Hohlpanzergranaten (HPz G)
  • 8 Fliegerbomben 38/59 à 50 kg oder
  • 4 Fliegerbomben à 200 kg oder
  • 2 Sprengbomben à 400 kg

In späteren Jahren wurden «moderne» Waffen für den Erdkampf beschafft:

  • Sprengbomben à 450 kg (Spr Bb 68/70) oder
  • Panzerbomben à 450 kg (Pz Bb 69/71) mit Penetrationszündern oder
  • Tiefabwurf-Streubomben (Fl Bb 79) TABO oder
  • Flugzeuglenkwaffen Luft-Boden AGM-65B (Flz Lwf LB 82) MAVERICK

Museum:

Hast du in der Schweiz scharfe Lenkwaffen abgeschossen?

HUNTER:

In der Schweiz eigentlich nicht (nur zur Separationsüberprüfung), aber vier Schweizer Piloten schossen 1963 in Kalmar anlässlich einer Scharfschuss-Kampagne in Schweden mehrere SIWA mit sehr gutem Erfolg.
Während der Schiesskampagne 1986 in Vidsel (Schweden) wurden auf verschiedene Ziele vier scharfe und neun Trainingslenkwaffen AGM-65B MAVERICK Luft-Boden-Lenkwaffen erfolgreich ab HUNTER verschossen.

Museum:

Wie kommt es, dass nach der 100-er Serie die Flugzeugnummern bis J-4152 gehen?

HUNTER:

Die zahlreichen Venoms waren inzwischen 20 Jahre im Einsatz und hoffnungslos veraltet. Die Hunterflotte war um zehn Flugzeuge «geschrumpft». Aus diesem Grunde interessierte sich die Luftwaffe für Occasions-Hunter. Die Herstellerfirma Hawker Siddeley (HSA) suchte in Europa solche «noch brauchbare» Hunter und wurde vor allem bei der RAF sowie in Schweden, Holland und Belgien fündig. In zwei Tranchen à 30 Flugzeugen wurden diese in England in den Neuzustand «werkrevidiert» und im F+W Emmen zusammengebaut. Acht Flugzeuge der zweiten Serie waren Doppelsitzer.

Der (katastrophale) Null-Entscheid 1972 des Bundesrates zur Beschaffung von Milan oder Corsair-Erdkampfflugzeugen beschleunigte diesen «Notkauf» massgeblich. Die entsprechenden Rüstungsprogramme 1971 und 1973 wurden rasch umgesetzt.

Museum:

Wie viele Staffeln flogen auf dem HUNTER?

HUNTER:

In der Zeit von 1975 bis 1991 waren insgesamt 9 Kampfstaffeln und die EKF-Staffel 24 mit dem Hunter ausgerüstet.

Museum:

Welche Verbesserungen und Modifikationen wurden im Laufe der Jahre vorgenommen?

HUNTER:

Der Hunter J-4152 hat im Vergleich mit dem J-4001 in 36 Jahren total 1165 Änderungen/Anpassungen/Ergänzungen erfahren. Es würde zu weit führen, hier alle Punkte aufzuführen.

Hier die Allerwichtigsten:

  • Einbau der UHF-Funkanlage
  • Ab 1964 Einbau des elektromechanischen Bombenabwurfrechners Saab BT-9 aus Schweden. Über diese Anlage konnten auch 8 cm Raketen verschossen werden.
  • Einbau einer Freund-Feind-Erkennungs-Anlage (IFF)
  • Grössere Flügeluntertanks (FLUNT), 150 Gallonen anstelle von 100 Gallonen
  • Neues pyrotechnisches Werfersystem an den äussersten Bomben-Aufhängepunkten
    Ejection Release Unit (ERU). Wirkung: präzisere Separation der Bomben
  • Neue Verkabelung für den Einsatz von TV-Lenkwaffen «Maverick»
  • Einbau eines «Chaff- und Flare-Dispensers».
    Chaff = silberbedampfte Glasfaser-Streifen zur Radartäuschung
    Flares: Magnesiumfackeln zur Täuschung von Infrarot-Lenkwaffen
  • Einbau der Radarwarn-Anlage RWS-77
  • Mehrere Verstärkungen an der Flugzeug-Struktur

Museum:

Welche neue Waffen wurden beschafft?

HUNTER:

Im Laufe der Jahre wurde das «Arsenal» erweitert:

  • Luft-Boden-Lenkwaffen Hughes AGM-65B Maverick (Flz Lwf LB 82). Diese Lenkwaffe hat an der Spitze eine Fernsehkamera eingebaut. Der Pilot konnte im Cockpit diese Kamera steuern und das anvisierte Ziel für die Waffe bezeichnen und zuweisen. Nur die Flugzeuge J-4056 bis J-4100 wurden damit ausgerüstet.
  • Tiefabwurf-Streubombe BL 755 (Fl Bb 79/TABO 79).
  • 450 kg Panzerbombe (Pz Bb 86)

Museum:

Von wann bis wann wurdest Du in der Patrouille Suisse eingesetzt?

HUNTER:

Ab 1960 setzte das Überwachungsgeschwaders eine Demonstrations-Doppelpatrouille
( vier Flugzeuge) für Formationsflüge an Flugmeetings ein. Die offizielle Bewilligung für «Tiefflugakrobatik im Verband» wurde vier Jahre später erteilt und entsprechende Vorschriften erlassen. Nach Vorführungen an der EXPO 64 und an den Armeetagen in Bière wurde die Formation erstmals offiziell «Patrouille Suisse» (PS) genannt.

Museum:

Welches waren die «Highlights» der PS Patrouille Suisse?

HUNTER:

Davon gab es eine ganze Reihe. Hier einige Beispiele:

  • Ab 1970 wurde der Solo-Demonstrations-Hunter in den Verband «eingebaut». Diese Erweiterung auf fünf Flugzeuge erlaubte eine grössere Vielfalt an Formationen.
  • Zum Jubiläum 60 Jahre Luftwaffe trat die PS 1974 an 17 Meetings auf.
  • 1976 konstruierten und bauten die Hauptleute HR. Beck und R. Hochuli (UeG Piloten) nach eigenen Plänen eine Rauchanlage in sechs Flugzeuge ein.
  • 1978 war es endlich soweit – die PS durfte mit sechs Flugzeugen auftreten. Im Juli wurde die PS nach Salon de Provence (Frankreich) zum 25 Jahre Jubiläum der «Patrouille de France» eingeladen.
  • 1979 holte die PS am weltbekannten «Royal Air Tattoo» in Greenham Common (England) den ersten Preis als «beste Vorführung» des Meetings.
  • Im Hinblick auf die 700 Jahr-Feier der Eidgenossenschaft wurden 1991 die sechs Hunter auf der Unterseite mit den Schweizer Farben rot und weiss sowie dem Schweizerkreuz bemalt.
  • Am 25. September 1994 flog die PS ihr letztes Meeting auf HUNTER in Nancy-Ochey in Frankreich.
  • Am 16, Dezember 1994 verabschiedeten sich die HUNTER in einer Grossformation von 40 Flugzeugen mit einem «Rundflug» über die wichtigsten Flugplätze.

Museum:

Wie viele Stunden waren die 160 HUNTER in der Luft?

HUNTER:

Es wurden total circa 310’000 Flugstunden in 420’000 Einsätzen absolviert. Das gibt pro Flugzeug im Durchschnitt 1’937,5 Stunden.

Den allerletzten «Luftwaffen-Flug» machte der GRD-Testpilot Walter «Spywa» Spychiger am 23.2.1995 mit dem GRD-Hunter J-4013.

Der Interviewer: Rudolf Wicki

Quellen:

  • Eigene Erfahrungen
  • Bundesarchiv (BAR)
  • Handbuch für Piloten HUNTER Mk.58
  • «Ausgemusterte Mittel der Schweizer Luftwaffe» Hugo Freudiger
  • «Die Geschichte der Schweizer HUNTER-Flotte» von Hans Prisi