-03.10.2024-

Im Jahr 2022 stammte rund 65 % des in die Schweizer Steckdosen gelieferten Stroms aus Wasserkraft. Diese wird in der gebirgigen und wasserreichen Schweiz durch Flusskraftwerke und Speicherkraftwerke, die von Stauseen gespeist werden, erzeugt. In der Schweiz gibt es etwa 200 Speicherseen, von denen die meisten zur Stromerzeugung genutzt werden. Diese Stauseen befinden sich überwiegend in den Alpen. Das markanteste Bauwerk eines Speichersees ist die Staumauer oder der Staudamm. Besonders in breiten Tälern ist ein Staudamm eine geeignete Alternative zum Bau einer Mauer, die eher für enge Gebirgstäler vorgesehen ist.

Britische Luftangriffe auf deutsche Talsperren im Zweiten Weltkrieg

Bereits im Zweiten Weltkrieg gab es gezielte Luftangriffe auf Staumauern. So wurden in der Nacht vom 16. zum 17. Mai 1943 eine britische militärische Operation, mit dem Ziel die Staumauern von sechs Talsperren im Westen Deutschlands zu zerstören, durchgeführt. Dabei kam die legendäre 617. Squadron des Royal Air Force Bomber Command zum Einsatz. Mit 19 umgebauten schweren Lancaster-Bombern wurden speziell entwickelte Rollbomben gegen die Mauern der Eder- und Möhnetalsperre abgeworfen. Dabei wurden die Mauern stark beschädigt. In den von den auslaufenden Stauseen verursachten Flutwellen kamen zwischen 1’300 und 2’400 Menschen ums Leben. Der militärische Nutzen der Operation war in britischen Militärkreisen umstritten. Arbeiter, die zum Bau von Verteidigungsanlagen gegen eine alliierte Invasion eingesetzt waren, wurden von dieser Aufgabe abgezogen, um den Wiederaufbau der Talsperren in Rekordzeit zu bewältigen. Dies schwächte die entsprechenden Verteidigungsbauwerke.

Die Stauwehr-Fliegerabwehr der Schweizer Armee 1953 – 1971

Nach dem Zweiten Weltkrieg befasste sich auch die Schweizer Armee mit dem Schutz von den für unser Land so wichtigen Staumauern. 1953 wurden drei Stauwehr-Fliegerabwehrabteilungen (Stw Flab Abt) gebildet. Die Abt 121 mit zwei Batterien zum Schutz der Elektrizitäts- und Stauanlagen Vernayaz/Barberine, die Abt 122 mit vier Batterien zum Schutz der Elektrizitäts- und Stauanlagen von Amsteg, Lucendro, Sella und Ritom und die Abt 123 mit drei Batterien zum Schutz der Elektrizitäts- und Stauanlagen von Altendorf, Sihlsee und Siebnen/Wägital. Personell umfassten die Abteilungen zwischen 800 und 1’000 Angehörige der Armee.

Die Batterien dieser Abt, waren mit 34 mm Flab Kan 38 (W+F) und 20 mm Flab Kan 38 (W+F) ausgerüstet. Im Falle der 34 mm Flab Kan 38 musste man jedoch auf den 3 m Telemeter, Kommandogerät und Gerätewagen verzichten. Zusätzlich zu den Flab-Batterien wurde auch ein Wasseralarm- und ein Hilfsdienst-Detachement für die Bewachung zugeteilt. Da diese drei Stw Flab Abt stationär eingesetzt wurden, waren sie nur mit den allernötigsten Transportmitteln ausgerüstet. Im Friedensdienst waren die drei Stw Flab Abt direkt dem Kommandanten der Fliegerabwehrtruppen unterstellt. Im Kriegsfalle wäre die Kommandogewalt an den Territorialdienst übergegangen. Ende 1971 wurden die Stw Flab Abt aufgelöst.

Angriffe auf Wasserkraftwerke in der Ukraine

Seit Beginn der groß angelegten Invasion im Jahr 2022 hat Russland häufige und weit verbreitete Luftangriffe auf die ukrainische Elektrizitätsinfrastruktur durchgeführt. Diese Angriffe haben zu erheblichen Störungen in der Stromversorgung geführt, was insbesondere im Winter die Bevölkerung und die Wirtschaft der Ukraine stark beeinträchtigte.

Die russischen Streitkräfte haben seit Anfang dieses Jahres über 20 Lenkwaffen auf das Wasserkraftwerk Dnipro abgefeuert. Das grösste Wasserkraftwerk der Ukraine wurde am 22. März 2024 bei einem der schwersten Angriffe auf die Energieinfrastruktur des Landes von acht russischen Lenkwaffen getroffen, was Berichten zufolge zum Verlust eines Drittels seiner Kapazität führte. Nach dem Angriff auf das Wasserkraftwerk Dnipro hatten russische Streitkräfte Ende März das Wasserkraftwerk Kaniw im Oblast Tscherkassy und das Wasserkraftwerk Dnister im Oblast Czernowitz angegriffen. Es wurden keine Schäden gemeldet.

Die ukrainische Luftverteidigung war in den letzten Monaten durch den Ansturm russischer Lenkwaffen- und Drohnenangriffe und die Verzögerung der Hilfe aus den USA besonders strapaziert. Unterdessen hat Russland seine gezielten Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur verstärkt, die lokale bodengestützte Luftverteidigung wird regelmässig überwältigt und einige der grössten Wärmekraftwerke der Ukraine zerstört.

Fazit

Die Ereignisse in der Ukraine verdeutlichen die Anfälligkeit der Energieversorgung eines Landes gegenüber modernen Luftangriffen. Daher ist es auch heute sinnvoll, sich intensiv mit dem Schutz der schweizerischen Energieinfrastruktur zu befassen.

Text: Beat Benz

Quelle: Titelbild – 20 mm Flab Kan 38 W+F auf Sockellafette