-01.11.2023-

Vor 45 Jahren, exakt am 4. Juni 1977 hat eines der ersten Eigenbauflugzeuge in der Schweiz auf dem Militärflugplatz Payerne zu seinen ersten Hüpfern abgehoben.

LUFTIBUS war deshalb nicht der Name eines hochgeheimen neuen schweizerischen Kampfflugzeuges, sondern vielmehr die Bezeichnung für ein „selbstgestricktes“ Freizeitflugzeug des MIRAGE Piloten Gion Bezzola. Er wollte es genau wissen. Dass er ein sehr guter Pilot war, hat er während vielen Jahren bewiesen. Nun wollte er sich auch als Flugzeugbauer betätigen und den damit verbundenen Problemen auf den Grund gehen.

Was da während seiner Freizeit in rund 1000 Arbeitsstunden mit einem Aufwand von damals rund 7000 Franken entstanden ist, konnte sich wirklich sehen lassen. Eine äusserst sauber gefertigte Konstruktion, mit einem Schubpropeller, die tadellos flog. Sogar die Experten vom damaligen Eidgenössischen Luftamt fanden keine Mängel. Start und Landung erfolgten damals auf der Hauptpiste des Militärflugplatzes Payerne.

Ich konnte die ersten Flüge des HB-YAY selbst verfolgen und war überrascht von den sauberen Flugeigenschaften.

Ein strahlender Gion Bezzola nach dem Erstflug

Dies alles hat ihn dann später dazu ermuntert, eine zweite, komfortablere Maschine zu bauen, weshalb dem LUFTIBUS ein nicht allzu langes Leben beschieden war.

Wie es zum Bau des LUFTIBUS kam, hat mir Gion Bezzola damals selbst erzählt:

„Mit der Idee, ein Einfaches, relativ leichtes und wenn möglich billiges Experimentierflugzeug zu bauen, kehrte ich 1975 von Oskosh in den USA zurück. Als brandneues Mitglied der Experimental Aircraft Association (EAA) mit der Nummer 97350 hatte ich im Mekka der Amateurbauer, neue, interessante Baumethoden gesehen. Dies bewog mich, nach über 20 Jahren Modellbau, an die Verwirklichung eines „grossen“ Flugzeuges zu gehen. Dabei ging es mir darum, mit den Bauvorschriften der Schweizer-Amateur-Flugzeugbauervereinigung RSA, dem Luftamt und seinen Experten und nicht zuletzt mit neuen Baumaterialien und Baumethoden Kontakt aufzunehmen.

Die von mir gewählte Lösung, mein erstes Amateur-Flugzeug gerade als Prototyp selbst zu entwickeln ist vielleicht nicht der ideale Weg, um unter die Amateur-Flugzeugbauer zu gehen. Dank der langen Modellbauerfahrung und mit der Hilfe und der moralischen Unterstützung meiner neuen RSA-Freunde gelang es mir, anderthalb Jahre nach Konstruktionsbeginn, die Schlussexpertise des Luftamts zu bestehen.

Das Freiluftflugzeug LUFTIBUS verfügt über einen Anticorodal-Vierkantrohr-Fachwerkrumpf mit genieteten und verschraubten Verbindungsplatten, während der Flügel aus Anticorodalholmen, Sperrholzrippen und Schaumstoff aufgebaut ist. Als Bespannung dient eine Haut aus Tergal-Segelstoff und Epoxydharz. Der mit einem heissen Draht geschnittene Styropor-Schaumstoff wurde blockweise zwischen die Rippen verleimt und verschliffen, bevor die Haut darübergelegt wurde.

Flügel, Rumpf und Steuerruderverhältnisse sowie das Flügelprofil NCA 64-514 wurden dem Pilatus PORTER abgeguckt, um den aerodynamischen Problemen etwas die Spitze zu brechen. Das durch die Seitensteuerpedale steuerbare Bugrad wurde neu entwickelt. Die ersten Rollversuche auf Gras und Beton ergaben eine gute und angemessene Steuerung am Boden.

Das Flugzeug kann in einer halben Stunde aufgebaut oder demontiert werden. Die Flügel lassen sich für den Transport auf einem Anhänger seitlich am Rumpf befestigen. Das auf eigenen Rädern stehende Paket hat dann die Abmessungen 5×1,9 x 1,6 Meter.

Der VW-Motor stammt aus einem Unfallwagen, der rund 40‘000 Kilometer zurückgelegt hatte. Im Leerlauf dreht der Vierzylinder mit 1000 Umdrehungen pro Minute, während bei Vollgas bei etwa 3600 Umdrehungen 45 PS abgegeben werden.

Am 4. Juni 1977 konnten die ersten Hüpfer ausgeführt werden, welche die Gutmütigkeit der Konstruktion bewiesen. Nach der Abnahme durch das Eidgenössische Luftamt folgten dann am 15. Juni die ersten beiden Flüge von je rund 11 Minuten Dauer.

Der Bau des neuen Flugzeuges war für mich ein grosses Erlebnis. Er ermöglichte mir, für meine zukünftigen Projekte Entscheidendes dazuzulernen.“

 

Hier noch einige technische Daten:

Motor: Vierzylinder -Boxermotor VW 1600 mit 45 PS Startleistung

Treibstoff: 22 Liter

Spannweite: 7 Meter

Länge: 5 Meter

Höhe: 1,5 Meter

Flügelfläche: 7 m2

Leergewicht: 230 kg

Startgewicht: 330 kg

Steigrate: 1,7 Meter/Sekunde

Reisegeschwindigkeit: 115 km/h

Minimalgeschwindigkeit: 75 km/h

Startrollstrecke: 250 Meter

Landerollstrecke: 200 Meter

Flugdauer: 1,5 Stunden

Propeller Durchmesser 1,15 Meter

Der in der heimischen Garage aus Holz selbstgefertigte Schubpropeller hat überlebt und befindet sich in meinem Besitz.

Bild und Text: René Zürcher

Anmerkungen zum Autor:

Der Autor René Zürcher mit Jahrgang 1944 ist in Zürich und Bern aufgewachsen. Der Virus Fliegerei wurde bereits früh infiziert, betrieb doch sein Vater ab 1953 ein Geschäft auf dem Flughafen Kloten. Nach einigen Jahren Tätigkeit als Programmierer/Systemanalytiker auf Grossrechnern erfolgte 1973 der Eintritt in den Nachrichtendienst der damaligen Flieger- und Flabtruppen. Diese 35-jährige Tätigkeit verbunden mit zahlreichen weltweiten Reisen formten den Autor zu einem anerkannten Spezialisten der internationalen Militärluftfahrt. Parallel dazu erfolgte eine militärische Karriere als Nachrichtenoffizier in der Flugwaffe, auch hier verbunden mit Reisen ins Ausland. Er war zudem bei sämtlichen schweizerischen Flugzeug-Evaluationen der letzten Jahrzehnte in irgendeiner Form beteiligt. Dies Alles führte zu einer umfangreichen Dokumenten- und Bildersammlung – die Kamera war immer dabei. Seit der Pensionierung 2008 ist Zeit für eine journalistische Tätigkeit im Bereich Aviatik vorhanden.


Ein Buch für Geschichtsinteressierte und Freunde der Schweizer Luftwaffe:

René Zürcher – Schweizer Luftwaffe – Evaluieren-Erproben-Entscheiden

Die Geschichte der Flugzeugbeschaffungen in der Schweiz seit 1946 – rund 100 Flugzeuge und Helikopter – rund 300 Schwarzweiß und Farbbilder zum größten Teil noch nie veröffentlicht – detaillierte Liste aller Evaluation und Erprobungen – detaillierte Liste aller beschafften Flugzeuge und Helikopter in dieser Zeitspanne – 200 Seiten, A4, Soft-cover Buch, ISBN 978-3-907041-78-9

CHF 49.-   inkl. Porto und Verpackung

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