-20.09.2023-
Als aktiver Modellflieger in der MGS Schaffhausen hatte ich in jungen Jahren, ca. 1975, die Gelegenheit auf dem Flugplatz Schmerlat im Klettgau in einer Piper Cub J-3C als Passagier für einen Rundflug Platz zu nehmen. Ein Modellflug-Kamerad mit Flug-Brevet, welcher damals im Schmerlat als Schlepp-Pilot mit der Piper tätig war, nahm mich zu diesem unvergessenen Flug mit. Es war gleichzeitig auch meine Flugtaufe. Das erste Mal in meinem Leben konnte ich die Welt von oben betrachten. Ich war von diesem Flugzeug völlig fasziniert. Ein Hochdecker, leicht und übersichtlich, mit unglaublichen STOL Eigenschaften . . . für mich war und ist es das Flugzeug! Klar, dass ich sofort ein Modell von der Piper Cub baute und mich von den gutmütigen Flugeigenschaften auch im Modell überzeugen liess.
Der Traum, selber in so einem Flugzeug zu sitzen und gemütlich in die Ferne schweifen zu können, liess mich nicht mehr los. Leider erst Jahrzehnte später konnte ich mir diesen Traum erfüllen. Dazu jedoch mehr im zweiten Teil: “Fliegereien mit der HB-OXI”.
Geschichte
Die Piper J-3C Cub ist ein amerikanisches Leichtflugzeug, das zwischen 1938 und 1947 von Piper Aircraft gebaut wurde. Das Flugzeug hat ein einfaches, leichtes Design, das ihm sehr gute Flugeigenschaften bei niedrigen Geschwindigkeiten und damit STOL (Short Take-Off and Landing) Eigenschaften verleiht. Die Piper Cub ist das meistproduzierte Modell von Piper Aircraft, mit fast 20’000 in den Vereinigten Staaten gebauten Exemplaren. Seine Einfachheit, Erschwinglichkeit und Popularität, nebst den erfolgreichen Militäreinsätzen im zweiten Weltkrieg, ist einmalig.
Das Flugzeug ist ein Hochdecker, ein strebenverspannter Eindecker mit einem großflächigen rechteckigen Flügel ohne Landeklappen. Die meisten Exemplare werden von einem luftgekühlten 4-Zylinder Boxermotor angetrieben, an dessen Antriebswelle ein Festpropeller montiert ist. Der Flugzeugrumpf besteht aus einem geschweißten Stahlrahmen, der mit Stoff bespannt ist und Platz für zwei Personen in Tandem-Sitzweise bietet. Wobei der Pilot immer den hinteren Sitz belegt, sowohl im Alleinflug als auch mit einem Passagier oder Beobachter. Dies ist der Schwerpunktlage geschuldet. Wegen des Tanks im Rumpf hinter dem Motor wird so eine «Kopflastigkeit» vermieden.
Die Piper Cub wurde grundsätzlich als Trainer konzipiert. In dieser Funktion, jedoch auch als Flugzeug der allgemeinen Luftfahrt, erfreute es sich großer Beliebtheit. Seine Leistungsfähigkeit war sodann vor und während des zweiten Weltkrieges entscheidend für eine Vielzahl militärischer Anwendungen wie Aufklärung, Verbindung und Bodenkontrolle. Die militärische Bezeichnung ab 1942 war L-4 Grasshopper. Viele Cubs fliegen heute noch, rund 80 Jahre nach deren Herstellung. In den USA und Kanada werden sie als Buschflugzeuge hoch geschätzt.
Piper L-4H Grasshopper
Man beachte die viel grössere Kabinen-Verglasung zur besseren Beobachterfunktion im militärischen Einsatz (Bildquelle: Cockpit online).
Der Flugzeughersteller Piper Aircraft wurde im Jahre 1927 von Gordon A. Taylor und Clarence Gilbert Taylor im US-amerikanischen Rochester als Taylor Brothers Aircraft Manufacturing Company gegründet. Bereits ein Jahr später änderte man die Firmenbezeichnung in Taylor Brothers Aircraft Corporation. Im selben Jahr kam Firmengründer Gordon A. Taylor bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. 1929 bezog die Firma in Bradford, Pennsylvania einen neuen Firmenstandort. Im Folgejahr ging die Firma pleite und wurde von Ölunternehmer und Geldgeber William T. Piper aufgekauft. Dieser gründete die Taylor Aircraft Company mit dem Ziel, preiswerte und einfach zu steuernde Flugzeuge zu entwickeln. Da Piper die Vermögenswerte der Firma kaufte, behielt er den Gründer C. Gilbert Taylor als Präsident.
Die Vorgängerin der Piper Cub, die Taylor E-2 erschien erstmals 1930. Im Jahr 1936 wurden die Pläne der E-2 von dem Angestellten Walter Jamouneau in die Cub J-2 umgewandelt, während Taylor krankgeschrieben war. (Der Zufall ließ einige glauben, dass das “J” für Jamouneau stehe, während der Luftfahrthistoriker Peter Bowers zu dem Schluss kam, dass der Buchstabe einfach den Modellen E, F, G und H folgte, wobei das “I” weggelassen wurde, weil es mit dem J verwechselt werden konnte). Als er die Neugestaltung sah, war Taylor so erbost, dass er Jamouneau feuerte. William Piper hatte jedoch Jamouneau bei den Veränderungen ermutigt und ihn wieder eingestellt. W. Jamouneau gilt als eigentlicher Konstrukteur der Piper Cub.
Obwohl der Verkauf anfangs schleppend war, wurden etwa 1’200 J-2 produziert, bevor ein Brand in der Piper-Fabrik, einer ehemaligen Seidenfabrik in Bradford, Pennsylvania, 1938 die Produktion stoppte. Nach dem Umzug in eine neuere Fabrik in Lock Haven im gleichen Bundesstaat, ersetzte nach weiteren Änderungen von Jamouneau, die Piper Cub J-3 die J-2. Durch die Änderungen wurde die Seitenflosse des Leitwerks in die hintere Rumpfstruktur integriert. Die Form des hinteren Seitenfensters in eine sanft geschwungene halbovale Kontur geändert und ein lenkbares Spornrad montiert, statt der einfachen Heckkufe im Blattfeder-Stil der J-2. Angetrieben von einem 40-PS-Motor wurde die Piper Cub J-3 1938 für mehr als 1’000 US-Dollar verkauft!
Der Name Cub bedeutet «kleines Bärchen» im nordamerikanischen Sprachgebrauch.
Mehrere alternative luftgekühlte Motoren, typischerweise 4-Zylinder Boxermotoren, trieben die J-3 Cubs an. Diese wurden bei Verwendung der Continental A-Series Motoren als J-3C-50 oder -65 bezeichnet (Leistung 50 oder 65 PS).
Der Ausbruch der Feindseligkeiten in Europa im Jahr 1939 führte zusammen mit der wachsenden Erkenntnis, dass die Vereinigten Staaten bald in den Zweiten Weltkrieg hineingezogen werden könnten, zur Bildung des Civilian Pilot Training Program (CPTP). Die Piper J-3C Cub wurde zum wichtigsten Schulflugzeug des CPTP und spielte eine wesentliche Rolle bei deren Erfolg und erlangte Legendenstatus. Etwa 75% aller neuen Piloten im CPTP (von insgesamt 435’165 Absolventen) wurden in Piper Cubs ausgebildet. Bis Kriegsende hatte eine Grosszahl aller US-Militärpiloten ihre erste Flugausbildung auf diesem Flugzeugtyp absolviert.
Der Bedarf an neuen Piloten erzeugte einen unstillbaren Appetit auf das «Bärchen». 1940, ein Jahr vor dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten, wurden 3’016 Cubs gebaut. Die Kriegsanforderungen erhöhten die Produktionsrate bald auf etwa 15 Flugzeuge pro Tag.
Die Piper Cub wurde schnell zu einem vertrauten Anblick. First Lady Eleanor Roosevelt flog in einer J-3C Cub und posierte für eine Reihe von Werbefotos, um die CPTP zu fördern. Wochenschauen und Zeitungen der Ära zeigten oft Bilder der Generäle Dwight Eisenhower, George Patton und George Marshall, die in Piper Cubs über europäische Schlachtfelder geflogen wurden.
General Eisenhower in einem L-4 Grasshopper – Aufklärungsflugzeug kurz vor dem Start in Italien 1943
Cubs in zivilem Besitz schlossen sich den Kriegsanstrengungen als Teil der neu gebildeten Civil Air Patrol an und patrouillierten die Ostküste und die Golfküste ab, auf der ständigen Suche nach deutschen U-Booten und Überlebenden von U-Boot-Angriffen. Piper entwickelte deshalb eine militärische Variante (“Alles, was wir tun mussten”, wird Bill Jr. zitiert, “war die Cub olivgrün zu malen, um ein Militärflugzeug zu produzieren“).
Die militärischen Varianten wurden unterschiedlich bezeichnet als O-59 (1941) , L-4 (nach April 1942) und NE (US Navy).
Die L-4 Grasshopper war mechanisch identisch mit der zivilen J-3C Cub, zeichnete sich jedoch durch die Verwendung eines Plexiglas- «Gewächshaus-Oberlichts» und Heckfenster für verbesserte Sicht aus. Mit nur dem Piloten besetzt, hatte die L-4 eine Höchstgeschwindigkeit von 85 mph (137 km/h), eine Reisegeschwindigkeit von 75 mph (121 km/h), eine Dienstobergrenze von 12’000 ft (3’658 m), eine Stall- Geschwindigkeit von 38 mph (61 km/h), einer Betriebsdauer von ca. drei Stunden und einer Reichweite von ungefähr 225 Meilen (362 km). Etwa 5’400 L-4 wurden für US-Streitkräfte hergestellt, wobei 250 für die US Navy vorgesehen waren, mit der Typenbezeichnung NE-1 und NE-2.
Dieser Link führt zu einem interessanten Bericht auf der Website der 9th. Infantry Divison im WW II über den Abschuss einer Piper Cub L-4: https://9thinfantrydivision.net/the-sad-story-of-the-shot-piper-cub-plane/
Alle L-4-Modelle und auch ähnliche Tandem-Cockpit-Flugzeuge von Aeronca und Taylorcraft wurden zusammenfassend als «Grasshoppers» bezeichnet, obwohl die L-4 fast allgemein zivil die Bezeichnung Cub J-3C hatte. Die Piper Cub L-4 wurde im Zweiten Weltkrieg ausgiebig für Aufklärung, Transport von Vorräten, Artillerieaufklärung und medizinische Evakuierung von verwundeten Soldaten eingesetzt. Während der alliierten Invasion in Frankreich im Juni 1944 machten die langsame Reisegeschwindigkeit und die überragende Manövrierfähigkeit der L-4, das Flugzeug zu einer idealen Beobachtungsplattform, um versteckte deutsche Panzer und Artilleriegeschütze zu entdecken. Für diese Operationen trug das Flugzeug meistens nebst Pilot und Beobachter/Funker auch ein 25-Pfund-Funkgerät, eine Last, welche die vorgesehene Zuladung des Flugzeugs überstieg. Nach dem Einmarsch der Alliierten in Frankreich, wurden L-4 sogar manchmal mit improvisierten Gestellen ausgerüstet, die zur Aufnahme von Infanterie- Bazookas für den Luft-Bodenangriff dienten.
Die berühmteste dieser Piper L-4 Angriffs-Flugzeuge war die Rosie Rocketeer , gesteuert von Maj. Charles „Bazooka Charlie“ Carpenter, dem die Zerstörung von sechs feindlichen Panzern, sowie mehreren gepanzerten Fahrzeugen während seines Kriegseinsatzes angerechnet wurden.
Nach dem Krieg wurden viele Piper L-4 in Europa als Überschuss verkauft. Eine beträchtliche Anzahl davon haben den Weg in die Schweiz gefunden. Nicht zuletzt auch deshalb, weil in der Schweiz in der Nachkriegszeit keine Restriktionen bezüglich des zivilen Flugbetriebes herrschten.
Auch «mein» Flieger, die Piper Cub J-3C-100 HB-OXI mit dem unüblichen Continental Motor O-200-A (100 PS) Boxermotor, war ursprünglich eine L-4 der US Airforce mit Baujahr 1944. Als weitere Eigenheit besass die HB-OXI zwei Flügeltanks mit total 90 L Inhalt.
Der Autor mit der HB-OXI im tiefen Vorbeiflug während eines Flugmeetings.
Die Piper J-3C Cub – eine Ikone der amerikanischen Luftfahrt
Tausende Cubs sind immer noch im Einsatz. Piper verkaufte zwischen 1938 und 1947 19’073 J-3C, die meisten davon L-4 und andere militärische Varianten. Nach dem Krieg wurden die meisten Grasshoppers unter der Bezeichnung J-3C in vielen Ländern zivil registriert. In Europa, in den USA, Kanada und auch in Südamerika.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Flugzeug weiter entwickelt. Ende der vierziger Jahre erschien dann die erste Piper Cub Version mit einer vollständig geschlossenen Motorhaube und anschliessend ab den fünfziger Jahren die stärkere, modifizierte Version der Piper PA-18 Super Cub, mit 95 bis 180 PS Motoren. Piper produzierte in Lock Haven bis 1983. Ein ehemaliger Piperhändler aus Lubbock in Texas, die WTA Inc., übernahm sodann die Rechte an der Konstruktion und kaufte die Rest-Exemplare von Piper. WTA beabsichtigte, weitere PA-18 zu produzieren. Piper, bzw. Bangor Punta, welcher Piper inzwischen gehörte, bestand darauf, dass die WTA Inc. die Produktehaftpflicht für sämtliche PA-18, die seit 1950 gebaut wurden, übernehmen sollte. Darüber konnten sich Piper und WTA nicht handelseinig werden. Lear Siegler übernahm die Piper Aircraft Corporation von Bangor Punta 1984 und schloss die traditionsreichen Piper-Werke in Lock Haven, nachdem der Hauptsitz der Firma nach Vero Beach ins sonnige Florida verlegt worden war.
Insgesamt produzierte Piper 2’650 Super Cubs. Das Standardmodell war seit dem Produktionsjahr 1962, die Super Cub PA-18-150 mit einem O-320 Lycoming Boxermotor und Verstellpropeller. Dieser Typ hat einen 150 PS (110 kW) Motor, der die Höchstgeschwindigkeit auf 130 mph (210 km/h) erhöht. Die Reichweite beträgt rund 460 Meilen (740 km). Die Super Cubs haben sich gerade in abgelegenen Gegenden einen Ruf als robustes, zuverlässiges Allzweckflugzeug erworben. Die Buschpiloten in Alaska und Kanada benutzen zu einem grossen Prozentsatz auch heute noch die Piper Super Cubs.
Viele Super Cubs sind in Nord-Amerika mit Schwimmern oder Ballonreifen ausgerüstet. Bei YouTube sind beeindruckende Videos von spektakulären Landungen am Ufer eines Sees mit Ballonreifen zu finden, bei denen die Flugzeuge über das Wasser gleiten und schließlich sanft auf dem steinigen Strand landen. Es ist manchmal kaum zu fassen, was in diesen Aufnahmen zu sehen ist.
Super Cub mit Schwimmer auf einem See in Nordamerika
Text und Fotos: Urs Weibel
Weitere Quellen:
Titelfoto Erich Gandet (Piper Cub J-3C-100 HB-OXI über dem Thurgau 1989)
Cub Crafters – https://cubcrafters.com/
Cockpit online – https://www.cockpit.aero/
https://www.pinterest.com/albert_butler/
https://www.flugzeug24.com/de/hersteller/204/piper-aircraft-corporation.html
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