-14.12.2022-

Es ist Montagmorgen 07:30 Uhr und die Feuereinheit 6 der M Flab Batterie 45/2 befindet sich in einer Kiesgrube nördlich der Aare bei Flumenthal in ihrem Bereitstellungsraum (Besltrm). Ein Teil meiner Feuereinheit bildet die Sofortsicherung rund um die Kiesgrube. Die Hälfte der Unteroffiziere, welche für den Stellungsbezug (Stelbez) der Feuereinheit kommandiert sind, befinden sich bei mir um meinen Puch (4×4 Fahrzeug) herum, bereit für die Befehlsausgabe für den Stellungsbezug. Der Rest der Feuereinheit hält sich in unmittelbarer Nähe der getarnten Fahrzeuge auf.

Der Befehl für den Stellungsbezug wird mündlich durch den Feuereinheitskommandanten an alle involvierten Gruppenchefs durchgeführt. Er regelt die personelle und materielle Organisation, die Reihenfolge des Stellungsbezuges, das Erstellen der Feuerbereitschaft, besondere Anordnungen, wie Verbindungen, Bereitschaftsgrade und die Standorte der Führungseinrichtungen wie z.B. die Funkantennenstandorte und die Örtlichkeit des Gefechtsstandes. Bevor mit dem Stellungsbezug begonnen wird, fahren ich und die Gruppenchefs in die Stellung, um die einzelnen Standorte der Geschütze (Gesch), des Feuerleitgerätes (Flt Gt) und des Gefechtsstandes (Gefstd) abzufahren. Gemäss den Resultaten der Erkundung, welche in dem Kadervorkurs (KVK) dieses Wiederholungskurses (WK) stattfand, werden kleine Holzpflöcke an den jeweiligen Standorten der Gesch und des Flt Gt in den Boden gesteckt. Diese Holzpflöcke dienen später der genauen Platzierung der Systeme.

Die ganze Aktion des Stellungsbezuges dreht sich um die von der Abteilung befohlene Zeit für den Feuerbereitschaftsgrad 2 (FBG 2). Dieser Bereitschaftsgrad bedeutet, dass bei aktueller Luftlage und Witterungsverhältnissen jederzeit ein Einsatz (Zielbekämpfung) der Feuereinheit verlangt werden kann; Geschütze und Geräte sind besetzt, und die Luftraumüberwachung ist im Einsatz. Die für meine Feuereinheit befohlene FBG 2-Zeit ist auf 13:00 angesetzt. Diese Zeit ist absolut heilig und muss unter allen Umständen eingehalten werden. Dies bedeutet für mich als Feuereinheitskommandant (FEK), dass ich die gesamte zeitliche Planung des Aufmarsches und Stellungsbezuges inklusive einer Reserve von dieser befohlenen Zeit her rückwärts gerechnet vornehmen muss.

Bei guter Witterung und festem Untergrund wird für einen Stelbez einer M Flab Feuereinheit (FE) 3 – 3.5 Stunden angesetzt. Bei schlechter Witterung (Regen, Schneefall) und nassem Untergrund kann sich der Stellungsbezug auf 4 bis 5 Stunden ausdehnen. Ein Stellungsbezug während der Nacht dauert ebenfalls länger als einer bei Tag und guten Witterungsbedingungen. Der Stelbez erfolgt unter taktischen Bedingungen. Das heisst, dass ein Minimum an Mensch und Material gleichzeitig sich im Stellungsraum aufhalten dürfen. Dies darum, damit bei einem möglichen gegnerischen Angriff nur ein Minimum der Gefahr ausgesetzt ist. Die Kommunikation zwischen Stellungsraum und dem Besltrm erfolgt mittels Handfunkgerät SE-135. Als erstes fährt das Gesch 1 in die Stellung. Es wird so rasch wie möglich vom Lastwagen (Lastw) abgehängt und für den Stellungsbezug positioniert. Gleichzeitig wird sämtliches Zubehörmaterial und die Bereitschaftsmunition vom Lastw abgeladen und in einem getarnten Material- und Munitionsdepot in unmittelbarer Nähe des Gesch platziert. Als nächstes werden zwei lange Zugsstricke an den beiden ausgefahrenen Spreizen des Gesch befestigt. Unter Anleitung des Geschützchefs (Gesch C) wird nun das Geschütz in seine vorgesehene Stellung gezogen, resp. gestossen. Die Mannschaft wird dafür in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe zieht und/oder stösst das Gesch, die zweite Gruppe unterlegt vorwährend einen Teppich mittels hölzernen Prügelmatten. Die Prügelmatten sollen den Stellungsbezug im Feld (Wiese oder Acker) erleichtern und gleichzeitig den Landschaden in Grenzen halten. Je nach Beschaffenheit des Geländes (flach oder uneben) ist der Stellungsbezug ein grosser Kraftakt. Nur in wenigen Fällen erfolgt der Stellungsbezug mit dem Lastw, weil der Landschaden durch das Manövrieren des schweren Lastw zu gross würde. Sobald das Gesch am richtigen Standort über dem Holzpflöcklein angelangt ist, erfolgt das Erstellen der Feuerbereitschaft gemäss einer Checkliste. Das Gesch 1 wird autonom komplett feuerbereit eingerichtet und aufmunitioniert, sodass es einen minimalen Feuerschutz zu Gunsten der FE bieten kann. Zusammen mit der Geschützmannschaft sind auch zwei Radarsoldaten des Flt Gt mit in die Stellung des Gesch 1 gelangt. Sie beide ziehen je ein Felddraht vom Gesch 1 zum Standort des Flt Gt. Diese beiden Felddrähte dienen der Übermittlung von Sprachmeldungen und Daten für die Geschützsteuerung.

Sobald der Lastw des Gesch 1 die Stellung Richtung Bestlrm verlassen hat, werden die beiden Puch des Feuereinheitstrupps und der Übermittlungsgruppe durch mich ausgelöst. Gemeinsam mit dem Lastw für den Gefstd werden sie den Standort des Gefstd und der Truppenunterkunft ansteuern und dort mit dem Einrichten beginnen. Die Übermittlungsgruppe wird an zwei auseinanderliegenden Standorten ausfahrbare Antennenmasten für die beiden Funkgeräte SE-225 der Feuereinheit aufstellen. Die Funkgeräte SE-225 dienen der Verbindung mit der Batterie und der Abteilung.

Nun ist es am Lastw mit dem angehängten Flt Gt den Bereitstellungsraum zu verlassen. Wie das Gesch wird das Flt Gt vom Lastw abgehängt und von Hand mittels Zugstricken an den entsprechenden Standort gezogen, bez. geschoben. Wiederum kommen die Prügelmatten zum Einsatz. Gerade für die Gruppe “Unterstützung” der Feuereinheit ist der Stellungsbezug eine schweisstreibende Angelegenheit. Müssen sie doch mit Ihren Prügelmatten von Stellung zu Stellung wandern, um dort den Stellungsbezug zu unterstützen. Ist das Flt Gt am korrekten Ort angekommen, wird es in Betrieb genommen. Dafür wird es, wie die beiden Gesch auf drei Stützen, gestellt und horizontiert. Die Horizontierung ist für die Präzision der Feuerbekämpfung durch die FE entscheidend. Ist das Flt Gt horizontiert wird das Richtgerät mit den Such- und Folgeradarantennen sowie der TV-Kamera ausgefahren. Nun können das Flt Gt eingeschaltet und die Rechnereingaben für das Erstellen der Feuerbereitschaft vorgenommen werden. Ein Radarsoldat stellt das optische Zielzuweisungsgerät (OZ) auf und verbindet es mit einem Kabel mit dem Flt Gt. Das OZ dient der optischen Zielzuweisung von besonders tiefliegenden Zielen in unmittelbarer Nähe der Stellung. Für jedes Gesch gibt es ebenfalls ein OZ, dieses wird vom Geschützchef (Gesch C) bemannt. Gleichzeitig laufen zwei Radarsoldaten mit je einer Felddrahttrommel vom Standort des Flt Gt zum Standort des Gesch 2.

Der Lastw mit dem angehängten Gesch 2 verlässt als letztes den Bestlrm für dessen Stellungsbezug. Nach Positionierung des Gesch 2 an der vorgesehenen Stelle erfolgt das Erstellen der Feuerbereitschaft. Als erstes wird das Benzinaggregat in Betrieb genommen. Es liefert den für die Hydraulikpumpe und später für den Antrieb des Gesch die notwendige elektrische Energie. Dafür wird das Gesch mittels drei hydraulischen Zylindern aufgebockt. Dann werden die vier Räder hydraulisch eingeschwenkt. Daraufhin wird das Gesch möglichst tief abgesenkt und horizontiert. Der Schwerpunkt soll möglichst tief liegen. Das Flt Gt besitzt ebenfalls ein Benzinaggregat. Je nach taktischer Anforderung kann es mittels einer Rampe aus dem Flt Gt ausgebaut und vom Flt Gt abgesetzt betrieben werden. Das Aggregat ist dabei mit einem Kabel mit dem Flt Gt verbunden.

Nun folgt das Einrichten der Feuereinheit als Ganzes. Als erstes richtet sich das Flt Gt mit dem Gesch 2 ein. Dabei geht es darum, dass die beiden Systeme auf eine gemeinsame geometrische Ebene eingerichtet werden. Dies ist für die Genauigkeit bei der Feuerbekämpfung sehr wichtig. Wird das Einrichten ungenau oder fehlerhaft durchgeführt, leidet die Genauigkeit der Zielbekämpfung. Mittels einer Kontrolle auf zwei, weit auseinanderliegende Fixpunkte (z.B. Kirchturm, Strommasten) wird die Genauigkeit des Einrichtens überprüft. Sobald das Einrichten mit dem Gesch 2 beendet ist, beginnt dieses Gesch mit dem Laden der 35mm-Bereitschaftsmunition. Mittlerweile haben die Kanoniere der Gesch 2 Gruppe bereits die Ladestreifen mit je sieben 35mm Granaten abgespitzt. Die gesamte Munitionsdotation pro Gesch beträgt 280 Granaten, d.h. also 40 Ladestreifen. Diese verteilen sich auf die automatischen Lade- und Nachladebehälter jeder Waffe. Vor dem Zuführen der Munition in die beiden gasbetriebenen automatischen Maschinenkanonen wird eine mechanische und elektrische Abzugskontrolle durchgeführt. Das Gesch ist nun geladen und kann den Feuerschutz für die Feuereinheit im autonomen Betrieb übernehmen.

Das Gesch 1 welches bis zu diesem Zeitpunkt den Feuerschutz übernommen hat, wird nun entladen, sodass es mit dem Flt Gt eingerichtet werden kann. Aus Sicherheitsgründen erfolgt das Einrichten immer mit entladenen Waffen, da die beiden Kanonenrohre beim Einrichten direkt auf das Feuerleitgerät ausgerichtet werden. Ist das Gesch 1 erfolgreich eingerichtet, wird es wieder mit Munition geladen und ab diesem Zeitpunkt ist die ganze Feuereinheit feuerbereit. Während des Erstellens der Feuerbereitschaft werden auch alle Systeme, Fahrzeuge und Depots im Stellungsraum getarnt. Dafür kommen Tarnnetze und andere zweckmässige Materialien zum Einsatz. Da sich die beiden Gesch im Einsatz sehr schnell drehen können – rund 100° pro Sekunde, wird eine Absperrung als Sicherheitsmassnahme um jedes Gesch errichtet. Das Flt Gt ist mittels einem Felddraht und einer Wechselsprechgarnitur mit dem rückwärtigen Gefstd der FE verbunden. Vom Gefstd aus erfolgt die Meldung über das Erreichen der Feuerbereitschaft mittels Funk an die Batterie und Abteilung. Es ist nun 12:15 Uhr und somit hat die FE 6 den Feuerbereitschaftsgrad 2 mit 45-minütiger Reserve erreicht. Der Stellungsbezug ist eine sehr intensive und kräftezehrende Zeitphase und  verlangt der Mannschaft alles ab. Voller körperlicher Einsatz, vollste Konzentration und klare Führung durch mich und meine Gruppenchefs sind dabei gefragt. Nun gilt es die Feuerbereitschaft so lange wie befohlen im 24-Stundenbetrieb aufrecht zu erhalten.

Worum es dabei geht, können Sie in einer weiteren Episode erfahren.

Text: Beat Benz  Bild: Beat Benz