– 25.10.2021 –

Im Sommer 2017 besuchte eine kleine Gruppe militärhistorisch interessierter Frauen und Männer aus der Schweiz das Luftfahrttechnische Museum in Rechlin Deutschland.

Das Luftfahrttechnische Museum Rechlin thematisiert die Zeitspanne während des 1. Weltkrieges bis zum Ende der DDR (von 1916 bis 1989). Auf einem Gelände von ca. 15’000  Quadratmetern sind Exponate der Reichsdeutschen Luftwaffe, der sowjetischen Fliegerei, der Schiffswerft Rechlin und der Nationalen Volksarmee ausgestellt. Auf diesem Territorium befand sich auch die streng geheime Luftwaffen-Erprobungsstelle, die Flieger-Versuchs- und Lehranstalt.

Rundgang – Aussengelände

Ein sonniger warmer Tag,  blauer Himmel, Kumuluswolken, ein Hauch Pommes Frites-Duft in der Luft, fröhliche Menschen, fast Volksfeststimmung an einem geschichtsträchtigen Ort, in Rechlin an der Müritz, dem grössten See der Mecklenburgischen Seenplatte in Mecklenburg Vorpommern, der ehemaligen DDR.

Auf dem Rundgang des Aussengeländes sind Kampfflugzeuge der ehemaligen Sowjetunion, eine Suchoi Su-22, eine MiG-23, eine MiG-21, ein Ural – Seitenwagenmotorrad, ein ehemaliges DDR- Grenzsicherheitsboot, sowie ein Torpedoschnellboot, dass in den 1970-iger Jahren auf der Peenewerft in Wolgast gebaut wurde, nebst einem aus Trabant-Teilen bestehenden Motorboot,  ausgestellt.

Von links nach rechts: Suchoi Su-22, MiG-23, MiG-21

Suchoi Su-22

Die Su-22 war als direkter Nachfolger der Su-20 vorgesehen als Exportflugzeug, fand aber auch Verwendung bei den Luftstreitkräften der Sowjetunion. Die Su-22 mit variabler Flügelgeometrie ist vor allem auf den Flug mit hoher Geschwindigkeit in Bodennähe ausgelegt. Die Bewaffnung umfasst acht bis zehn Waffenträger für eine sehr breite Palette der verschiedensten Waffensysteme.

Mikojan-Gurewitsch MiG-23

Die MiG-23 ist ein einstrahliges Kampfflugzeug, das zur Zeit des Kalten Krieges in der Sowjetunion entwickelt wurde. Das einsitzige Schwenkflügelflugzeug war neben der MiG-21 das erfolgreichste von der Sowjetunion exportierte Kampfflugzeug und bildete darüber hinaus die Grundlage für die Entwicklung des Jagdbombers MiG-27. Die MiG-23 wurde in den Jahren von 1964 bis 1966 zur Ablösung der MiG-21 im Konstruktionsbüro Mikojan-Gurewitsch entwickelt.

Mikojan-Gurewitsch MiG-21

Die MiG-21 ist ein in der Sowjetunion entwickelter einstrahliger Abfangjäger. Die MiG-21 wurde 1959 in Dienst gestellt. Die DDR – damals an der Grenze zwischen Ostblock und Westen – war das erste Land außerhalb der UdSSR, in dem die MiG-21 stationiert wurden. Der Abfangjäger wurde in den Luftstreitkräften von mehr als 50 Staaten eingeführt und in vielen Varianten in Lizenz gefertigt. Die MiG-21 ist mit rund 10.300 Exemplaren eines der seit dem Zweiten Weltkrieg meistgebauten Kampfflugzeuge der Welt.

Ural – Seitenwagenmotorrad

Torpedo-Schnellboot

Motorboot «Trabitanic»

Das Motorboot «Trabitanic» wurde aus Stahlblech mit Flachboden (Kiel) gefertigt. Die Aufbauten bestehen aus zwei Trabant-Dächern mit Front- und Seitenscheiben. Angetrieben wurde das Boot von einem Motor Typ «Wichr-30 P» (UdSSR).

Hallen und Innenräume

In den Hallen und Innenräumen sind Exponate der Deutschen Luftwaffe zu sehen. Sehenswert das Cockpit einer Focke Wulf Fw 189, das Cockpit einer Junkers Ju 338 , die Fokker D.VII, der Nachtjäger Gotha Go P-60C, eine Focke-Wulf Ta 154 „Moskito“ und eine Messerschmitt Bf 109.

Cockpit Focke Wulf  Fw 189

Cockpit Focke Wulf  Fw 189 – Nahaufnahme

Cockpit Junkers Ju 338

Fokker D.VII

Das legendäre Jagdflugzeug des 1. Weltkrieges

Die Fokker D.VII gehörte zu den besten Jagdflugzeugen ihrer Zeit. Sie war leicht, schnell und im Kurvenkampf äusserst wendig. Die geschweissten Stahlrohrrahmen des stabilen Flugzeugrumpfes der Fokker D.VII waren mit Stoff bespannt, ebenso das Seiten- und Höhenleitwerk. Die Tragflächen bestanden aus zwei Holmen, die im vorderen Teil mit Sperrholz beplankt und ebenfalls mit Stoff überzogen waren. Bis Kriegsende 1918 wurden 1’000 Flugzeuge bei Fokker in Schwerin und 2’200 Flugzeuge in Lizenz bei Albatros in Berlin-Johannisthal produziert. Die Fokker D.VII wurde 1918 auch auf der neu eingerichteten «Flieger-Versuchs- und Lehranstalt» am Müritzsee in Rechlin erprobt.

Nachtjäger Gotha Go P-60C

Der Nachtjäger Gotha Go P-60C, gebaut nach Plänen der Konstrukteurs-Gebrüder Horten war die dritte und letzte Ausführung von drei P-60 Entwürfen, die sich noch in den letzten Kriegsmonaten in den Konstruktionsbüros der Firma Gotha Waggonfabrik in der Entwicklung befanden.
Die typische Bauweise aller Gotha Flugzeuge bestand aus Stahlrohrrahmen, die mit Holz beplankt wurden. Die eigentliche Innovation war aber die Anordnung der beiden Düsentriebwerke, nicht wie üblich nebeneinander, sondern übereinander. Durch diese Konstruktion sollte der Go-P 60C eine herausragende Längsstabilität, geringere Luftwiderstände und damit eine überlegene Geschwindigkeit verliehen werden. Obwohl das Reichsluftfahrtministerium vom Entwurf überzeugt war, kam es aufgrund der Kriegsereignisse zu keiner praktischen Umsetzung mehr. Im Rechliner Museum befindet sich ein Modellnachbau 1:1 als Nachtjägervariante eines Leihgebers.

Focke-Wulf Ta 154 „Moskito“

Die Focke-Wulf Ta 154 „Moskito“ war ein gegen Ende des Zweiten Weltkrieges gebautes zweimotoriges Mehrzweckflugzeug der Luftwaffe in Schulterdeckerbauweise. Ihr Einsatz erfolgte als Nachtjäger. Vorbild und Pendant war die britische de Havilland Mosquito. Wie bei dieser bestanden Rumpf, Leit- und Tragflächenkomponenten der Ta 154 aus einer hölzernen Konstruktion.

Messerschmitt Bf 109

Die Messerschmitt Bf 109 war ein einsitziges deutsches Jagdflugzeug der 1930er- und 1940er-Jahre. Sie gehörte zu einer neuen Generation von Tiefdecker-Jagdflugzeugen, die sich durch eine geschlossene Pilotenkanzel, Einziehfahrwerk und eine Ganzmetallkonstruktion von Rumpf und Tragflächen auszeichnete. Über ihre ursprüngliche Bestimmung hinaus kamen diverse Varianten auch als Jagdbomber, Nachtjäger und Aufklärer zum Einsatz. Mit rund 33.300 Maschinen ist die Bf 109 das meistgebaute Jagdflugzeug der Geschichte und auch in unserem Museum als schweizerische Me-109 vertreten. Das Flugzeug wird wie erwähnt auch als Me-109 bezeichnet. Nach der offiziellen Namensgebung des Reichsluftfahrtministeriums lautet die historisch korrekte Bezeichnung Messerschmitt Bf 109.

Messerschmitt Me-109 E-3 «Emil» im Flieger Flab Museum Dübendorf

Die Me-109 E verteidigte während des Krieges erfolgreich den Luftraum der Schweiz (Beschaffung 50 Stück) gegen deutsche He-111 und Me-110.

Geheime Erprobungstellen der Deutschen Luftwaffe

Luftbild der alliierten Luftaufklärung – Erprobungsstelle Rechlin 1943 Foto: Wikipedia

Neben Peenemünde, Travemünde, Tarnewitz war Rechlin die grösste Erprobungsstelle, auch E-Stelle der deutschen Luftwaffe genannt. Luftfahrtexperte Heinrich Beauvais, der ab 1935 bei der Erprobungsstelle tätig war, beschreibt die  Aufgaben einer  Erprobungsstelle wie folgt: »Die Erprobung muss ganz speziell die Gebrauchsfähigkeit eines bestimmten Flugzeugmusters, -systems oder -gerätes untersuchen, und zwar in möglichst kurzer Zeit als eine der Grundlagen für die entscheidenden Stellen.»Die Entstehung und Arbeit dieser Dienststellen erfolgte unter strenger Geheimhaltung. Die Aufgaben beinhalteten das Messen der Flugleistungen (Geschwindigkeit und Steigleistung) und die Beurteilung der Flugeigenschaften (Wendigkeit, Kurvenleistung, Brauchbarkeit als Waffenträger), sowie Dauererprobungen. Während des ersten Weltkrieges begann 1916 in Rechlin die Errichtung der zentralen Erprobungsstelle mit einer Flugzeugabteilung, Motorenabteilung, Flieger-Funker-Versuchsabteilung und Lehranstalt. Durch den Vertrag von Versailles 1918 mit Verbot jeglicher Fliegerei wurde die Erprobungsstelle stillgelegt und ab 1925 mit dem Bau einer neuen Flugzeughalle wieder aktiviert.

Hitler und Göring (Bildmitte) bei einer Inspektion in Rechlin

Der Reichskommissar der Luftfahrt Hermann Göring besuchte die Erpobungsstelle im März 1933 und unterstützte den zügigen Ausbau. Die E-Stelle Rechlin wurde in NORD-, OST-, SÜD-, WEST-Sektoren eingeteilt und ausgebaut, wie das amerikanische Aufklärerfoto von 1943 zeigt. Das Reichsluftfahrt-Ministerium wollte schnelle Erfolge sehen.

Übersicht der Erprobungen ab 1918 bis 1945:

Jahr Erprobungen
1918 Fokker D VII Prototyp V11
1932 mittlere Kampfflugzeuge, Fernaufklärer, Jagdeinsitzer, leichte Sturzkampfflugzeuge, Nahaufklärer, Schulflugzeuge, Langstreckenbomber
1933 – 1935 Junkers F13 und Ju-52
Ab 1935 Ju-86, He-111, Do-17, Me-Bf109
Ab 1936 He-45, He-46, He-51, He70, Do-13, Do-23, Ar-68 Me-Bf109, Do-17,

He-111,Hs-123 und Ju-86, Ar-81, He-118, Ju-87

1939 Am 3. Juli 1939 wurde vor Hitler und seinem Minister- und Generalsstab neben Flugzeugvorführungen, Bombenabwürfen, u.a. auch die flüssigkeitsraketengetriebene He-176 sowie die strahlgetriebene He-178, neuartige Waffentechnik auch Triebwerkschnellwechsel, erste Funkmessgeräte sowie das X-Leitstrahlverfahren vorgestellt.
1941 Lastensegler Go-242, Gotha Flugzeugwerke

Me-321

1942 Me-323, Me-Bf 109 und 110, Fw-190, He-111 und 177, Ju-88
1943 Me-262 (strahlgetriebene Flugzeuge)

Me-163 (Raketenantrieb)

Am 13. Januar 1943 kam es in Rechlin zum ersten einsatzmäßigen Schleudersitzausschuss der Luftfahrtgeschichte.

1944 Strahlflugzeugmuster Ar-234 und Me-262 im Sommer 1944

Focke-Wulf mit der in Kompositbauweise gefertigten Fw-Ta154

Dornier die Do-335

Tank 154 – Holzkonstruktion von Rumpf-, Leitwerk- und Tragflächenkomponenten (Ziel: leichtere und schnellere Jagdflugzeuge)

Flugbombe F1-103 – besser bekannt unter dem Propagandanamen V1

1945 Strahlflugzeuge Me-262, Ar-234 und He-162

Do 335 (Werknummer 240102) wurde kurz vor der Besetzung der Erprobungsstelle Rechlin vom damaligen Rechliner Testpiloten Hans-Werner Lerche (1914-1994) am 20. April 1945 nach Oberpfaffenhofen überführt, von wo sie ihren Weg im Rahmen der Operation “Seahorse” in die USA antrat.

Bekanntgewordene Erprobungszwischenfälle:

1937 bei sechs Abstürzen kamen mindestens 18 Angehörige der E-Stelle ums Leben
1941 zwei tödliche Unfälle von Rechliner Sachbearbeitern für Lastensegler
1944 schwere Erprobungszwischenfälle mit schweren Verletzungen und Todesfolge von Erprobungspiloten der E-Stelle

 

Demontage der E-Stelle

Am  10. April 1945 wurde Rechlin zum Angriffsziel der US Airforce. Damit war die Arbeitsfähigkeit der E-Stelle Rechlin erloschen. Nach dem Einmarsch der Roten Armee in Rechlin begannen die Besatzer mit der Demontage der noch vorhandenen bzw. brauchbaren Einrichtungen des Flugplatzes. Nichts sollte mehr von der ehemals größten Erprobungsstelle der Deutschen Luftwaffe erhalten bleiben.

Seit Gründung und Entstehung des Museums 1993 engagieren sich zwei Vereine und setzen sich für den stetigen Ausbau dieses wichtigen Museums ein.

Quellen:

https://www.luftfahrttechnisches-museum-rechlin.de/ausstellungen/erprobungsstelle-der-deutschen-luftwaffe.html

Wikipedia – die freie Enzyklopädie

Dipl.-Ing (FH) Christoph Regel: Die deutsche Luftfahrt – Flugerprobungsstellen bis 1945, Bernard & Graefe, 1998

Angelika Rätzke: Mythos Tarnewitz – Geheimnisse einer Halbinsel, Boltenhagen Verlag, 2016

Text: Karin Doering  Fotos: Karin Doering


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