Henri (18.9.1879-25.12.1980), Armand (13.1.1883-17.7.1941), (Die jüngere Tochter wird wenig erwähnt.)

– 29.09.2020 –

Französisch-schweizerische Erfinder, Konstrukteure, Aviatiker

Der Genfer Maler und Bildhauer Frédéric Dufaux (1852-1943) heiratete die Französin Noémie de Rochefort-Luçay (1856-1943). Sie lebten in Paris und Genf und hatten drei Kinder:

Henri nahm Zeichenunterricht bei Barthélemy Menn, besuchte die Ecole des Beaux-Arts in Genf.  Aufenthalte erfolgten in Florenz und Paris. Armand seinerseits besuchte in Genf das Collège Ecole La Tour und studierte anschliessend Mechanik an der örtlichen Universität.

Henri brachte die Intuition des Künstlers; Armand die Perfektion des Technikers.

Gemeinsam konstruierten sie ab 1898 einen Hilfsmotor für Fahrräder. Eher als Amateure und Bastler experimentierten sie weiter an diesem leichten Explosionsmotor für ihre „motocyclettes“. Laut Henri kein Wunderding, aber es funktionierte mit ca 1 PS und brachte total 30 kg auf die Waage. Dies führte am 24.2.1900 zum Patent-Nr. 21167 ihrer Firma. Gemäss Betriebsanleitung von 1905 soll ein solcher Hilfsmotor, selbst durch mechanisch ungeschulte Personen, mit wenigen Handgriffen in nur 5 Minuten in den Dreieckrahmen eines Herrenfahrrades einzubauen gewesen sein. Ein Riemen übertrug die Kraft an eine Riemenfelge am Hinterrad.

Daraus entstand dann der Firmenname Motosacoche S.A. (Taschenmotor, Motorradtasche) H.&A. Dufaux & Cie. Acasias-Genève.

Von ca.1901 bis zum 2. Weltkrieg war sie die bedeutendste Einbaumotorenfabrik in Europa (später auch für Motorräder, khaki-farbig) mit Produktion in Genf, Frankreich, Italien und zusätzlichen Verkaufsstellen in Deutschland, Oesterreich und England. Die Tagesproduktion von 30 bis 35 Motorrädern  wurde 1908 durch das neue Werk in Turin mit 300 Arbeitern noch verdoppelt. Die Motorrad-Herstellung wurde 1956 eingestellt (letztes Modell 1954 M212 twin 247cm3 o.h.c). Nachher wurden nur noch stationäre Motoren für Landwirtschaft und Industrie gebaut.

Die ersten Gleit- und Motorflüge um die Jahrhundertwende weckten bei den Brüdern Dufaux das Interesse an der Aviatik. Ab 1902 beschäftigten sich die Gebrüder Dufaux nebenbei mit  der Idee eines senkrecht startenden und landenden Objektes mit Explosionsmotor, um ohne Katapult oder Startbahn auszukommen.

Der Bau des Motosacoche-Werkes in Turin 1907 / 1908 und andere Herausforderungen im Betrieb verzögerten die Flugversuche bis 1909. Erschwerend waren auch fehlende Flugerfahrung und ein nicht vorhandenes, nahe gelegenes Testgelände.

Die pionierhaften und innovativen Versuche mit den V/STOL-Apparaten 1 und 2 („Helikopter“, 1902-1909) und dem damals aussergewöhnlichen, doppeltwirkenden Motor „Dufaux 1907“ waren leider nicht sehr erfolgreich und wurden abgebrochen (siehe dessen Motoren-Interview).

Die Gebrüder Dufaux widmeten sich nun ab Mitte September 1909 dem Studium und Bau von konventionelleren Konstruktionen, einfachen Flächenflugzeugen. Ein Motor Anzani 30 PS bei 1400 U/min wurde am 5.10.1909 bestellt und im November 1909 geliefert! Nach Rollversuchen auf Gabiule bei Corsier erfolgten die ersten Hüpfer in Viry (F). Am 24.12.1909 gelang Henri, wegen des kleineren Gewichtes als „Testpilot“ bestimmt, in Viry (F) der Erstflug. Er stieg steil bis 15m/Gnd  empor, erschrocken stellte er daraufhin den Motor ab >Geschwindigkeitsverlust, Totalschaden, Pilot unverletzt.

Daten von Apparat Nr.3: Gewicht 175 kg, Propeller 2,1 m, V=72 km/h, Vmin= 45 km/h.

Dieses erste Exemplar glich, wie auch Dufaux 5 (2-sitzig), sehr stark dem erfolgreichen einsitzigen Dufaux 4, Type „Traversée du Lac“. Jedoch wurden bei allen Typen  immer wieder andere Motoren für den Antrieb verwendet. zB: Anzani W 3 Zyl. 25 PS, (Traversée de la Manche, 25.7.1909 Blériot) Antoinette ENV  V8  40 oder 60 PS, Gnôme rotation 7-Zyl. 50 oder 70 PS, Oerlikon 50/60, ua.

Ab Januar 1910 wurde in ihrer Firma „Flugzeuge und Propeller inkl REP“ intensiv am Dufaux 4 gebaut. Bald wurde 1910 eine kleine Serie von 5 Flz verkauft, total sollen davon mindestens 15 Stück geflogen sein. Gewicht 180 kg, Zuladung 140 kg, L=9,5 m, B=8,5 m, H=2,7 m, F=24 m2.

Im Februar 1910 schrieb der Club d’Automobile Suisse einen Preis von 5000 Frs. aus, für ein Flugzeug und Motor, beides gebaut in der Schweiz, das einen Kreis von 2 km durchfliegen würde. Aus terminlichen Gründen konnten sich die Dufaux nicht bewerben. Die Armee lehnte im Mai 1910 ein „wetlease“ dieses Typs ab, und befand es als zu unsicher zur Manöverbeobachtung.

Am 11.7.1910 wurde von Perrot-Duval ein Preis von 5000 Frs. ausgeschrieben für den Überflug des Genfersees in der ganzen Länge (Noville-Genf 66km). Verbindung Häfen Montreux-St.Gingolph, Landeplatz in Genf zu bezeichnen durch C.S.A. (Club Suisse d’Aviation >später Sektion Genf des AeCS) {oder C.G.A. (Club Genevois d’Aviation?}. Nach fleissigem Üben konnte Armand am 12.7. in 100 m über dem Feld in Corsier (CH) oder Viry (F) “Voltenkreise“ während 31 Minuten 30 Sekunden drehen und legte dabei 36 km zurück. Schon am 28.8.1910 wagte er den Rekordflug über den Genfersee mit dem Dufaux 4 und Motor Gnôme 50 PS. Er gewann damit diesen begehrten Preis. Der Flug, in Höhen von ca. 100 m bis knapp über der Wasseroberfläche, dauerte 57 Minuten für die reine Messstrecke und insgesamt 78 Minuten. Der Flug führte doppelt so weit über Wasser wie jener von Blériot am 25.7.09. Turbulenzen, Bruch der Windschutzscheibe, Leistungsabnahme des Motors usw. machten dem Pionier zu schaffen. Henri zu A.Waldis: Armand war Pilot bei diesem Rekordflug, weil nur er schwimmen konnte.

Mit dieser Leistung begann die Luftfahrtsparte schwerer als Luft in der Schweiz richtig. Im In- und Ausland von den Medien gewürdigt, erhielten die Gebrüder Dufaux in Anerkennung von Tapferkeit und Leistung eine goldene Uhr mit eingravierter Widmung „Der Bundesrat den ersten Schweizerischen Fliegern, Oktober 1910“.

Zitat Alfred Waldis (VHS): Die Gebrüder Dufaux können für sich in Anspruch nehmen, den Motorflug in der Schweiz vom Stadium des Experimentierens, der Theorie, in die Praxis hinübergebracht zu haben.

Ein Dufaux 5 mit Rotationsmotor, war das erste (eingemietete) Flugzeug in der Schweizer Armee,  eingesetzt zur Beobachtung der Manöver des 1.Armeekorps vom 4.-6.September 1911. Gewicht 345 kg, Zuladung  215 kg, Gnôme 70 PS bei 1200 U/min.

Beobachter:  Oblt Gustave Lecoultre, (1862-1969?) der Kavallerie und Freund von E.F. (Enkel des Gründers der Glocken- und Uhrenfabrik {Jaeger}LeCoultre);

Pilot: Ernest Failloubaz (1892-1919), (19-jährig, „le gamin volant“, später Brevet Nr.1 !!).

Der durch Erbschaft reiche E.F. erwarb später von den Dufaux Werkstatt und die Lizenz für den Flugzeugbau und führte sie bis zum Konkurs der Firma, ca 1914.

Ab 1912 widmete sich Henri vor allem seiner Familie, ausgedehnten Reisen und der Malerei. Armand zog nach Paris und wirkte als Erfinder und Hersteller von Flugzeugteilen, zwei Jagdflugzeugen (Dufaux-C1 und C2 mit Motorkanone und 2 Gnôme-Motoren quer), und später hauptsächlich von Zubehörteilen für die Automobilbranche (Stossdämpfer, Rennwagen). 1920 baute er auch einen Bobsleigh.

Die Brüder Dufaux (oder nur Henri?) erhielten am 13.3.1931 den Orden der Légion d’Honneur.

1913-1914 SOG-Sammlung zu Gunsten einer Militäraviatik. Erste Flugzeug-Demonstration/„Evaluation“ vor der Militärkommission am 14. April 1914 in Bern durch Albert Rupp und Franz Schneider, Doppeldecker LVG CIII Schneider (Luft-Verkehrs-Gesellschaft, Berlin-Johannisthal)

„le fauX DufauX, le Prix Perrot Duval“ Ein Projekt von hepta.aero ab 2005 war der Nachbau einer Dufaux 4 mit Gnôme-50-Motor und anschliessender Wiederholung des legendären Fluges über den Genfersee am 28.8.2010 durch Claude Nicollier. Ueber 3000 Personen arbeiteten am Projekt mit einem Budget von 4,7 MFr. Administrative / bürokratische Hürden verhinderten aber eine Durchführung des Fluges bis heute.

Quellen:

Tilgenkamp, Geschichte der Schweizerischen Luftfahrt II, Seiten 107-119;

Schweizer Pioniere aus Wirtschaft und Technik 46, Seiten 8-27;

Urech Seiten 10-13; Archiv VHS; Archiv FFM; Pionnair-ge.com;

Geschichtsforum.de; perrodduval.com; yesterdays.nl; motopedia-online.info;

Wikipedia.org; Wikiwand.org; link.springer.com; dingler.culture.hu-berlin.de;

asst.ch; hepta.aero; retro.seals.ch; Helicoptaire Dufaux; Musée des Arts et Metiers

Hinweise:        Knecht Walter, Geschichte der Verbrennungsmotoren in der Schweiz

Magnin André, Biographie H.u.A. Dufaux

Richard van Basshuysen, Lexikon der Motorentechnik

Siehe auch FFM-online-gazette: Motoren-Interview, Dufaux 1907

PS: Eine entfernte Verwandtschaft besteht zu den gleichnamigen Automobilen jener Zeit der Firma Dufaux et Cie. Die beiden Cousins Charles und Frédéric waren in ihrem Bereich ebenso erfolgreich und berühmt.

Text: Hans-Jörg Kuhn

red.th