– 17.06.2019 –

Die US-amerikanische Luft-Luft-Lenkwaffe AIM-9 Sidewinder ist ohne Zweifel die wichtigste, auf einem Infrarot-Sucher basierende Rakete seit 1950. Sie wurde in allen relevanten Konflikten (erfolgreich) eingesetzt und ist nach wie vor der Massstab, auch für modernere Waffen.

Das amerikanische US Naval Weapons Center in China Lake (Kalfornien) entwickelte diese Luft-Luft Lenkwaffe als Ergänzung zu den 12,7mm und 20mm Kanonen. Der Name Sidewinder stammt von der klapperschlangenartigen Giftschlange, welche ihre Beute mit Hilfe deren Wärmeabstrahlung aufspüren kann.

Die erste operationelle Sidewinder AIM-9B besass einen Splitter-Sprengkopf, welcher durch einen passiven Infrarot Annäherungszünder zur Explosion gebracht wurde. Der Antrieb erfolgte durch eine Thiokol Mk.17 Feststoff-Rakete, welche einen Schub von 1762 kp Schub während einer Dauer von 2,2 Sekunden leistete. Die AIM-9B wurden von der US Navy und US Air Force erstmals im Vietnamkrieg (1965-68) eingesetzt. Mit 175 Lenkwaffen AIM-9B abgefeuert von F-4C/D Phantom, wurden 28 MIG’s abgeschossen.

Für die Schweizer Luftwaffe begann das „Sidewinder“-Zeitalter mit der Einführung des Modells AIM-9B als Standardwaffe für den Abfangjäger Dassault Mirage IIIS. Die Lenkwaffe erhielt die offizielle Bezeichnung Flugzeug Lenkwaffe 63 (Flz-Lwf 63) und wurde unter den Piloten und dem Bodenpersonal auch kurz „SIWA“ genannt. Im Gegensatz zu heute, wurde damals die Lenkwaffe nicht als komplette Waffe geliefert, sondern in einzelnen Baugruppen. Um dennoch eine sofortige Verfügbarkeit der Lenkwaffe sicherstellen zu können, wurde eine kleine Anzahl zu kompletten sogenannten „Readyness“ Lenkwaffen zusammengesetzt und in Containern eingelagert. Über die nachfolgenden Jahrzehnte durchlief die „Sidewinder“-Lenkwaffe eine umfangreiche Weiterentwicklung.

Auf die Initialbeschaffung der AIM-9B im Jahr 1963 folgte 1974 die verbesserte AIM-9E-3. Sie verfügte über einen neuen Suchkopf, eine modifizierte Elektronik, gesteigerte Leistung sowie aerodynamische Verbesserungen. Mit der AIM-9P-3 im Jahr 1980 folgte der nächste Schritt. Diese Version verfügte über eine modifizierte Steuerung und Elektronik, sowie aufgrund einer neuen Form der Steuerflügel eine Leistungssteigerung.

Die nach weiteren zehn Jahren beschaffte AIM-9P-4 war mit einem neuen Suchkopf und modernisierter Elektronik ausgerüstet. Nur ein Jahr später folgte die AIM-9P-5, welche zusätzlich über ein System gegen IR-Störer verfügte. Die letztgenannte Modifikation (zwischen 1990 und 1995 durchgeführt) entspricht immer noch dem heutigen technischen Stand dieser Version. Parallel mit dem Austausch des Suchkopfes und den Änderungen an der Steuereinheit, wurde im Rahmen des Rüstungsprogramms 1993 eine Modifikation des Annäherungszünders DSU-21/B vorgenommen. Weiter wurde der heutige AIM-9P-5 SR-116-AJ-2-Raketenantrieb zu Beginn der 1982er- und 1983er-Jahre durch die US-Firma Aerojet, Sacramento, mit einem sogenannten Reload-Verfahren erneuert. Die bald 30-jährigen Antriebe wurden durch den Fachbereich Explosivstoffe von armasuisse W+T mittels – einem in den letzten Jahren intensivierten Lebensdauer-Überwachungsprogramm – auf Sicherheit (Funktion, Lagerung) und Leistung überprüft. Um die Lebensdauer ihrer Lenkwaffen überwachen zu können, werden in der Schweizer Luftwaffe grundsätzlich alle als kritisch bezeichneten Hauptgruppen und Komponenten, wie zum Beispiel der Raketenantrieb, der Sprengkörper, die Batterien sowie der Gasgenerator, bezüglich ihrer Lebensdauer regelmässigen Tests unterzogen.

Die AIM-9X (Raytheon Company Waltham, MA) wird zwar weiterhin der AIM-9-Serie zugeordnet, ist jedoch eine komplette Neuentwicklung, die lediglich auf einige Komponenten ihrer Vorgänger zurückgreift. So wurden bewährte Bauteile wie der raucharme Raketenmotor und der Sprengkopf von der AIM-9M übernommen. Der neue Raketenkörper erzeugt bedeutend weniger Luftwiderstand als bei den früheren Versionen und wird nun über die (kleinen) Heckflossen gesteuert. In Verbindung mit der ebenfalls neuen Schubvektorsteuerung wird so eine deutlich bessere Manövrierfähigkeit erzielt.

Text: Ruedi Wicki